Scene

Id
1395  
Name
The only reason you're still alive is because someone has decided to let you live  
Summary
 
Position
15  
Scenetype
Off Camera  
Created At
2014-03-08 09:33:56  
Edited At
2014-03-18 12:04:12  
Show
100. Vendetta  


LiViNG DEAD SOCiETY
T-4
Meno piano.

 

Es ist das letzte Mal. Erneut – das letzte Mal. Wie damals, in der EFW. Wie damals, in der cWc. Das Buch, das seine Karriere, sein Leben schreibt, ist scheinbar nur eine Aneinanderreihung nicht abgeschlossener Kapitel, ein Sammelsurium von Fragmenten, denen es nicht vergönnt ist, ein großes Ganzes zu werden.

Nachdenklich lehnt er an einer der Wände in einem der Gänge des PCWA Theatres. Betrachtet einen spartanisch an die Wand gesprayten Schriftzug, der besagt „Glaube nicht an die Lüge“. Was für eine Ironie. Eine Botschaft, die direkt aus der Feder von Jona Vark stammen könnte.

Mit nervös zitternden Fingern zerfurcht er das gummierte Kinn seiner Maske. Zerknautscht das Gesicht des japanischen Mädchens. Er. Jeffrey Ron Arrow. Schwermut pumpt durch seine Venen, trifft auf einen Schwall Erleichterung und entleert sich in einem Geysir aus Unentschlossenheit, der sein Herz beinahe zum Bersten bringt. Heute Abend – wird es enden. Alles. Kein Weg zurück. Mit unsteten Schritten wankt er auf den Schriftzug zu, erreicht ihn, fährt mit arthritischen Fingern die einzelnen Buchstaben nach. Geht. Weiter. Irgendwohin. Nirgendwohin. Nur wenige Meter weiter befindet sich erneut derselbe Schriftzug an der Wand. Und dann noch einer.

Die Lüge stößt ein erstauntes Pfeifen durch die Zähne. Ein symptomatischer Slogan. Warum hätte auch jemand an ihn glauben sollen? Jona Vark hat von Beginn an Zweifel geäußert. Nur er selbst… er hatte sich verloren in der Illusion des perfekten Abschlusses. No more unfinished business. Ein, zwei Jahre noch Rechnungen begleichen, Wege gehen, die gegangen werden müssen… doch, people are strange. Irgendwo hatte er eine Abkürzung gefunden, die zwar die Rachegelüste nicht befriedigt, nein, das nicht. Nicht im Ansatz. Doch die Abkürzung würde ihm helfen, Ruhe in die Öde seiner Seele zu bringen. Bevor er jedoch heute Abend diese Abkürzung nehmen wird, heraus aus der PCWA, heraus aus Berlin… gilt es noch zwei oder drei Personen zu sehen.

Auf dem Weg zu einer dieser Personen befindet sich die Lüge just in diesem Augenblick. Und ein weiterer der „Glaube nicht an die Lüge“-Schriftzüge weist ihm den Weg, denn der Slogan endet mit dem letzten Wort direkt auf einer verschlossenen Tür. Der Tür, die gleichzeitig den Eintritt zu Brunswicks Himmelsbar markiert. Kurz hält die Lüge inne. Saugt den Moment auf, saugt jedes einzelne Staubpartikel auf, schafft sich Erinnerungen… beinahe hätte er es hinbekommen. Beinahe hätte er es endlich einmal zu Ende gebracht. Doch letztlich hat die Sehnsucht gesiegt. Die Sehnsucht, all das hier hinter sich zu lassen. Die Sehnsucht, nicht mehr Monat für Monat stark sein zu müssen. Nicht mehr jedes verfluchte Mal den starken Mann vor Jona Vark darstellen zu müssen.

Mit einem Seufzen stößt Arrow gegen die verschlossene Tür. Knickt den Schriftzug ab. „Glaube nicht an die“ steht da. Als hätte es niemals eine Lüge gegeben. Kurz senkt er den Kopf, wischt sich verstohlen durch die Augenöffnungen der Gummimaske. Schon nächsten Monat wird es business as usual sein. Alles wird seinen Lauf nehmen. Ob mit oder ohne ihn. Er ist… ersetzbar. Kräftiges Ausatmen durch o-förmige Erdbeerlippen. Mit polternden Schritten besteigt die Lüge die einzelnen Stufen, die zu Alistairs Himmelsbar führen. Arrow hat keinen Blick für ein weiteres der Tags, das die Wand verziert, welche die Treppe säumt. Gerade will er all das nur hinter sich bringen, bevor ihn die Emotionen übermannen.

„Die Lüge hat endlich ihre Bestimmung gefunden.“

Die Stimme kommt wie aus dem Nichts. Arrow hält inne. Spürt das kalte Metall des Knaufs der letzten Tür, die ihn gerade noch von der Himmelsbar trennte, in seiner Hand. Bemüht sich, seine Sinne zu schärfen. Angestrengt kneift er die Augen zusammen. Doch das einzige Licht, das er wahrnimmt, sind die vereinzelten Sterne, die am Firmament treiben, vielleicht längst verglüht, ein glänzender Schimmer von Erinnerung. Und doch fühlt er die Präsenz der Person, die just diese Worte aussprach. Hört ihr schweres Atmen. Wie in Zeitlupe lässt die Lüge seine Hand von dem Türknauf gleiten und in den Taschen seiner olivfarbenen Cargohose verschwinden. Er zieht die Nase hoch, legt den Kopf schräg und versucht, seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Langsam und mit schlurfenden Schritten betritt er die Himmelsbar. Dann endlich – die Silhouette einer riesenhaften Gestalt zeichnet sich als ganz eigenes, finsteres Sternbild vor dem düsteren Himmel ab.

Arrow macht einige weitere Schritte in die Richtung der Gestalt, fingert knisternd eine Packung Zigaretten aus der Bauchtasche seines strahlend weißen Kapuzenpullovers und zündet umständlich einen der Glimmstängel an. Kurzes Aufleuchten der feuerfarbenen Glut, eine Ahnung von ausgestoßenem Rauch, dann räuspert sich die Lüge.

Arrow: „Imposanter Auftritt. Goliath, der die Nacht verdunkelt und dabei hatte ich auf den Pretty Boy gehofft, der heller strahlt als jeder einzelne Stern am Himmelszelt. Wie man sich doch täuschen kann.“

Ein weiterer Zug. Weitere Schritte in die Richtung des großen Mannes. Arrow nickt in seine Richtung.

Arrow: „Bringen wir das übliche Prozedere hinter uns… wer bist du? Was willst du? Und wichtiger als das: Beherrscht du die Sprühdose? Bist du derjenige, der alle mahnt, nicht an die Lüge zu glauben?“

Eine ausladende Geste bedeutet dem Fremden, der Lüge zu antworten.

Ein dumpf-kehliges Lachen ist zu hören. Der Schatten wendet sich um, aber immer noch erkennt Arrow nicht viel mehr als eine nachschwarze Silhouette.

„Die Nachrichten waren für denjenigen bestimmt, der bereit war sie zu verstehen und ihnen zu folgen. Ich wusste, dass ich deine Neugier nicht mit einer SMS oder einem kleinen Zettelchen samt Goldrand entfachen konnte. Wer ich bin? Du weißt, wer ich bin.“

Mit diesen Worten tritt die Gestalt einen Schritt nach vorne. In diesem Moment erkennt Arrow sein Gegenüber. Die muskulöse Erscheinung, die eindringende Stimme und vor allem die stahlblauen Augen, die ihn direkt aus einem von den Lasten vieler Jahre zerfurchten Gesicht anblicken. Er hat ihn schon in Videos gesehen, hat viel über ihn gehört.

Mit einem leichten Nicken passiert Arrow sein Gegenüber, tritt nun selbst an den Rand des Daches, lässt es Asche regnen und lacht leise auf.

Arrow: „Ich denke schon. Adam Reynolds, wenn ich mich nicht irre?“

Der Mann, der einmal der „Last Warrior“ war, nickt. Arrow muss zu ihm aufblicken, überlebensgroß erscheint der Hüne.

Adam Reynolds: „Was machst du hier, Jeffrey Ron Arrow?“

Weiteres Abaschen über dem Abgrund. Ob es wehtun würde, zu springen? Oder ob er all das bei dem Fall schon vergessen würde, verloren im finalen Rausch? Etwas irritiert schüttelt die Lüge den Gedanken ab, tritt einige Schritte von dem großen Mann weg.

Arrow: „Wie ich bereits sagte – ich suche den Urheber dieser Schmierereien. Auch, wenn es meine letzten Schritte in der PCWA sind… jemand wollte meine Aufmerksamkeit, jemand bekommt meine Aufmerksamkeit. Man sollte Dinge niemals ungeklärt lassen, sonst wird man unglücklich. Und Unglück hatte ich weiß Gott schon genug. Also… nun wo ich dich hier sehe, Adam Reynolds, beschleicht mich der Gedanke, dass Alistair zu sehr damit beschäftigt ist, seine feuchten Träume am Hinterteil von Cinderella in die Realität umzusetzen… womit wir zu dir und zu meiner Ausgangsfrage zurückkommen: Hast du Erfahrung mit Sprühdosen? Eine tief verwurzelte Vergangenheit irgendwo in der Bronx, mit Baggypants und unschlagbaren Skills am Mikrophon und DJ-Pult? MC Reynolds?“

Die Zigarette fliegt in den Abgrund, verglimmt wie ein winzig kleiner Komet. Die Lüge bleckt die Zähne. Baut sich vor Reynolds auf und schaut ihm aus der Froschperspektive direkt in die Augen.

Arrow: „Genug gescherzt. Ich habe gesucht, ich habe gefunden. Richtig? Genügt das als Antwort auf deine Frage?“

Adam blickt ihn lange und durchdringend an.

Adam Reynolds: „Das meine ich nicht. Was machst du hier in der PCWA, Lüge? Was ist der Grund für deine Anwesenheit hier in dieser Liga?“

Amüsiert stößt die Lüge Luft durch die Nase aus und wendet sich kopfschüttelnd ab. Nur, um binnen Bruchteilen einer Sekunde herumzufahren und den Blickkontakt mit Reynolds wieder aufzunehmen. Die Augen der Lüge funkeln, vielleicht angriffslustig, vielleicht bieten sie aber auch nur den Sternen einen Spiegel, in dem sie sich selbst beim Sterben zusehen können. Gelassenheit durchzieht die Stimme der Lüge.

Arrow: „Irgendwie funktioniert diese Konversation nicht so recht. Ich stelle Fragen, du stellst Fragen… und Antworten geben wir beide nicht. Also, hier ist der Deal: Du stellst eine Frage, ich antworte. Ich stelle eine Frage, du antwortest. Aufrichtig, ohne Spielchen.“

Auffordernd nickt er Reynolds zu.

Adam Reynolds zeigt zunächst keine Regung, nickt dann aber knapp zurück.

Adam Reynolds: „Quid pro quo. Drei Fragen sollen dir gestattet sein.”

Feixend wirft die Lüge den Kopf in den Nacken.

Arrow: „So so, drei Fragen sind mir also gestattet?“

Falsche Heiterkeit durchzieht seine Stimme. Auch, wenn es heute endet… er brauchte noch nie eine Erlaubnis und das wird sich auch am letzten Abend in der PCWA nicht ändern. Mädchenhaft klatscht er in die Hände.

Arrow: „Fein, fein. Lassen wir die Spiele beginnen. Warum ich hier bin? Da gibt es verschiedene Gründe. Meine Geschichte… sie ist stets nur ein Drama in zwei Akten gewesen, es gab immer nur eine Einführung, einen Höhepunkt… und nie ein Ende. Nirgendwo. Ich habe es nie zum Abschluss gebracht. Nichts. Ich war stets die konstante Unkonstante. Das Negativ zum verrückten Hund. Ich habe Anlauf genommen, wieder und wieder, und bin stets mitten in der Bewegung verstorben.“

Die Lüge kratzt sich am Kopf, fährt sich durch die schwarz gefärbten Haare.

Arrow: „Ein Dreivierteljahr war ich jetzt in der PCWA… und was ist geschehen? Ich habe Höhepunkt für Höhepunkt gesetzt, habe mich mit Dalmi zusammen getan, Breads gegen mich aufgebracht, Brunswick verunsichert, ich habe mich Nicotin & Bacteria in den Weg gestellt, einen Barbaren an eine Tür genagelt, NEON LOVE in ein Arrowkostüm gesteckt, Jona Vark jeden einzelnen Arbeitstag versaut… ich habe Chaos gestiftet, wo immer ich meine Stiefel auch auf den Boden gesetzt habe. Doch weißt du, was mir dabei gefehlt hat? Die Befriedigung. Die Freude an dem, was ich tue, der Spaß daran, die Ordnung aus ihrem bestehenden Gefüge zu reißen und neu zusammen zu setzen – es hat mich einfach nicht berührt. Das hier ist nicht das Ende, das ich gesucht habe, Und daher werde ich diesen Weg nicht weiter beschreiten, werde nicht weiter in eine Richtung rennen, an deren Ende nur Finsternis und Abgründe warten. Heute… endet es. Alles.“

Ein leises Seufzen ist die Antwort, so als habe Adam diese Antwort erwartet und befürchtet zugleich. Der Moment der Stille wird kurz durch ein leises Geräusch aus dem Hintergrund unterbrochen, wo Arrow in der Dunkelheit auch eine Bewegung wahrzunehmen meint. Bevor er sich allerdings näher damit befassen kann, erhebt Reynolds die Stimme.

Adam Reynolds: „Sie nennen dich die ‚Lüge‘, aber letzten Endes hast du dich vor allem selbst belogen. Und du tust es noch. Nichts endet, niemals. Du kannst diesem Geschäft nicht einfach den Rücken kehren. Es lässt dich nicht los, hält dich solange in seinem Würgegriff, bis du ihm erlegen bist. cWc, EFW, PCWA – das sind doch nur unterschiedliche Bezeichnungen für dieselbe Sache. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass du diesen Ort hier verlassen willst, noch bevor deine Geschichte zu Ende erzählt ist. Du denkst, du könntest dem Unvermeidlichen damit entkommen? Du schiebst es nur hinaus, an den Tatsachen aber wirst du nichts ändern können. Und deshalb wirst du auch in Zukunft unter dem Namen ‚Lüge‘ bekannt sein, Jeffrey Ron Arrow.“

Nachdenklich blickt die Lüge in die fernen Lichter der Stadt. Hat Reynolds Recht? Unrecht? Sanft zieht er die Schulten nach oben. Er weiß es nicht. Will es gar nicht wissen. Ohne sich Reynolds zuzuwenden ist es nun an der Lüge, seine erste Frage zu stellen.

Arrow: „Vermutlich werde ich das, ja. Doch auch wenn mein Name in Zukunft noch bekannt sein wird, so heißt das nicht, dass ich mich nicht aus dem Würgegriff dieses Geschäfts gelöst habe. Vielleicht verklingt der Schall meines Namens später, als meine Person selbst… doch auch dieser Schall wird irgendwann vertönt sein und von anderen überdeckt werden, die ihre persona mit lauten Fanfaren und Trompeten ankündigen, um ihrerseits Chaos und Untergang zu bringen. Du weißt doch… Könige werden immer ersetzt.“

Verschmitztes Lachen der Lüge.

Arrow: „So, wie auch du bereits durch andere Namen ersetzt wurdest. Ist es das, warum du wieder hier bist? Wenn ich mich recht entsinne, war deine Geschichte nach dem Brawlin’ Rumble IX zu Ende? Wie kommt es also, dass ich dich heute Abend hier antreffe? Bricht der Protagonist aus seinem eigenen Roman aus? Kann er das schmerzliche Ende nicht verkraften, versucht er, das Unabdingbare doch noch zu verändern? Ein kleiner Schubser für das Schicksal, um die Dinge ins rechte Lot zu bringen?“

Die Lüge geht in die Hocke. Wird noch kleiner vor Adam Reynolds. Betrachtet ihn aufmerksam, versucht hinter die würdevolle Fassade zu dringen.

Adam Reynolds: „Nichts von dem was du vermutest ist wahr. Ich bin hier, weil Alistair mich gerufen hat. Er braucht mich und dennoch fürchtet er all das, wofür ich stehe. Ich bin die Skrupellosigkeit, die ihm fehlt. Ich bin die Erfahrung, die er sich erst in langen Jahren mühsam erarbeiten muss. Ich bin. Er wird. Aus genau diesem Grund bin ich hier, um ihn auf diesem Weg zu begleiten.“

Die Lüge federt wieder in den Stand. Legt nachdenklich den Kopf schräg. Deutet mit dem Zeigefinger auf Reynolds.

Arrow: „Du bist also der Mentor des Pretty Boy…“

Eine entschuldigende Geste der Lüge.

Arrow: „Mag sein, dass das gut für ihn ist. Nur durch gutes Aussehen und eine Wagenladung voll von weiblichen Fans bringt man es in diesem dreckigen Geschäft zu nichts. Aber wem erzähl ich das…“

Adam ist einige Schritte um Jeffrey Ron Arrow herum gegangen. Alt wirkt er, fällt der Lüge in diesem Moment mehr als zuvor auf. Müde wirkt er, aber seine Augen, die direkt auf einer Höhe mit den seinen sind, wirken noch wach und aufmerksam.

Adam Reynolds: „Wo wirst du hingehen, wenn du nicht mehr hier bist?“

Adams Frage ist einfach, aber dennoch trifft sie Jeffrey Ron Arrow unerwartet. Hat er überhaupt eine Antwort darauf?

Mit einem geschmeidigen Sprung begibt sich die Lüge auf den Sims, der die Himmelsbar von dem Abgrund trennt. Breitet die Arme aus und schließt die Augen. Spricht in die Nacht, ohne sich umzudrehen. Langsam. Bedächtig.

Arrow: „Zurück. Ich gehe zurück zu dem Punkt, an dem ich die Abzweigung PCWA genommen habe und bemühe mich, die andere Richtung auszutesten.“

Wendet den Kopf zu Reynolds. Lächelt. Fühlt sich unendlich schwerelos.

Arrow: „Ich weiß nicht, was mich dort erwartet, doch vielleicht wird es endlich richtig sein. Vielleicht wird endlich diese Rastlosigkeit, diese schmerzhafte Sehnsucht befriedigt, vielleicht finde ich endlich etwas, um diese Leere zu füllen, in der ich in jedem einzelnen Moment zu ertrinken drohe.“

Das Lächeln wird breiter.

Arrow: „Vielleicht wartet hinter dieser anderen Abzweigung etwas, das dafür sorgt, dass endlich alles gut wird. Etwas, wodurch ich meine Erinnerungen richtig einordnen kann, etwas, wodurch ich endlich meine Träume reparieren kann.“

Arrow begibt sich wieder auf den festen Boden zurück. Lässt die Hände in den Hosentaschen verschwinden und zieht seine Schultern etwas höher. Es fröstelt ihn, eine angenehme Gänsehaut bildet sich bei dem Gedanken daran, dass seine Worte mehr als nur Hoffnungen sein könnten. Er nickt in Reynolds' Richtung.

Arrow: „Doch sag du mir… was ist die Wahrheit über Patricia? Sie lebt, oder? Das Grab, das Barker geöffnet hat… es war wirklich leer, richtig? Oder entspringt das alles nur Alistairs Phantasie?“ 

Adam schweigt einen Moment, dann deutet er mit dem Kopf in die dunkle Ecke der Himmelsbar, aus der Arrow vor kurzem noch eine Bewegung wahrzunehmen glaubte. Und tatsächlich: Dort, direkt auf dem kalten Steinfußboden, sitzt eine weitere Gestalt. Ihr kahlrasierter Schädel mit den wulstigen roten Narben und die tief in den Höhlen liegenden verweinten Augen lassen sie fast wie einen lebendigen Leichnam erscheinen.

Patricia Selladore.

Das ‚Living Dead Girl‘ ist trotz der Kälte nur mit einem dünnen weißen Hemd bekleidet. Verklärt lächelnd wippt sie mit dem Oberkörper sachte vor und zurück, während sie eine kleine Porzellanpuppe umklammert hält. Als sie Arrows Blick bemerkt, wirft sie ihm ein glucksendes Kichern entgegen.

Patricia: "Die Lüge. DIE LÜGE!"

Erneut lenkt Adams Stimme Arrow von ihr ab.

Adam Reynolds: „Auch sie ist hier, weil Alistair sie braucht. Sie steht für das, was er aufgeben musste. Sie ist wild und ungezwungen, nicht einmal ihren eigenen Regeln unterworfen. Nicht einmal der Tod konnte sie bändigen, während er als Ehemann der Teufelstochter und Gesicht der Liga viel Verantwortung für einen jungen Mann trägt. Eine Verantwortung, vor der er gerne fliehen möchte.“

Skeptisch schürzt Arrow die Lippen. Versteht Reynolds' Aussagen, kann sie aber nicht recht einordnen. Eine Hand spielt mit den Bändern, mit denen er die Kapuze seines Pullovers enger schnüren kann. Besonnenheit liegt in seiner Stimme, eine Eigenschaft, die nur allzu selten seine Worte beseelt.

Arrow: „Ich denke nicht, dass Brunswick vor dieser Verantwortung fliehen möchte. Ich denke, er weiß, worauf er sich da einlässt. Vielleicht braucht er noch das eine oder andere Schockmoment, doch letztlich wird er an seiner Aufgabe wachsen.“

Die Lüge lacht. Aufrichtig. Herzlich.

Arrow: „Er wird Rage besiegen, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Wird beweisen, dass er mehr als nur der Pretty Boy ist. Brunswick wird das Aushängeschild dieser Liga werden, während der selbsternannte Gott Azrael Rage sich einer unangenehmen Wahrheit stellen müssen wird: Wenn sich ein Dilettant mit fehlender Eloquenz in Selbstdarstellung übt, ist er nur ein Bauer auf dem Schachfeld, auf dem er sich selbst als König sieht.“

Leises Gähnen der Lüge.

Arrow: „Doch nun – was ist deine letzte Frage?“

Adam Reynolds: „Was wirst du von dir hinterlassen? Woran wird die PCWA sich von dir erinnern? Wird es allein der Gedanke an einen Maskenträger mit tausend Gesichtern sein, der überall und nirgends zuhause ist?“

Die Lüge nickt zustimmend.

Arrow: „Gut gewählt, Adam Reynolds. Ich weiß nicht, woran sich die PCWA erinnern wird. Vielleicht an einen Magier, dessen Zaubertricks nicht ausreichten, um seine Wunderwerke zum Funkeln zu bringen. Vielleicht an einen elenden Junkie, der bei seinem Höhenflug vergaß, wie eine richtige Landung funktioniert.“

Er seufzt. Senkt den Blick.

Arrow: „Vielleicht an einen Puppenspieler, der sich an seinen eigenen Stricken erstickt hat. Doch eines sehe ich glasklar, eine Sache werde ich heute nicht wieder versäumen -  ich werde meine Fackel heute weiterreichen, ganz gleich, ob ihr Feuer noch leuchtet oder ob es nur noch seicht glimmt. Mein Testament ist verfasst und es gibt nur eine Person, die darin vermerkt ist.“

Der Kopf der Lüge schnellt unvorhersehbar nach vorne. Er fixiert Reynolds mit seinen Augen.

Arrow: „Doch kommen wir zu meiner letzten Frage. Adam Reynolds… Patricia… die Lüge erkennt, wenn er eine Lüge sieht. Die Lüge lässt sich nicht in seinem eigenen Spiel täuschen.“

Hohles Lachen. Arrows Stimme klingt kratzig.

Arrow: „Ich glaube nicht an Adam Reynolds. Nicht an Patricia. Ich glaube an Alistair Brunswick, der den Boden unter den Füßen verloren hat. An den Pretty Boy, der temporär Ausflüchte sucht, weil er Angst hat, einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein, die er eigentlich mit Bravour meistern kann. An den Pretty Boy, der vielleicht gar nicht so zielstrebig und aalglatt ist, wie er es vorgibt. Und ich glaube…“

Der Kopf wird schräg gelegt.

Arrow: „…dass ich es beweisen könnte.“

Er hat Reynolds bei seinen Worten genau im Auge behalten. Blickt hinunter auf diesen Mann, der im Vergleich zu ihm fast klein und gebrechlich wirkt. Ein Krieger, der keiner mehr ist.

Anstelle einer Antwort auf die nicht einmal gestellte Frage steht Adam Reynolds einfach nur da. Seine Hand wandert langsam nach oben zu seinem Gesicht, so als wolle er sich in Gedanken am Kinn kratzen. Dann aber packt er unvermittelt zu, scheint sich selbst die Haut vom Gesicht zu ziehen.
Die Maske fällt.

Arrow rückt derweil seine eigene Maske gerade. Still schluchzend blickt das weinende japanische Mädchen das entblößte Gesicht seines Gegenübers an. Wissend nickt die Lüge.

Arrow: „Ich habe doch gesagt, dass ich mich nicht in meinem eigenen Spiel täuschen lasse.“



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