Scene

Id
1420  
Name
Now you are free  
Summary
 
Position
56  
Scenetype
Live  
Created At
2014-03-21 12:46:20  
Edited At
2014-03-23 13:56:51  
Show
100. Vendetta  


Das Krankenhaus, in das Mad Dog eingeliefert wurde, war nur unweit von dem Ort gelegen, an den er sich zum Abschluss des Abends begeben wollte: Die Exile-Villa, in der beim Imperial Impact alles startete. Die Kollaboration mit NEON LOVE. Der falsche Deal mit Blake Milton. Der PCWA-Run, der kürzer verlief, als ursprünglich angedacht. Und so hatte er noch einen kurzen Fußmarsch absolviert, hatte diese spezielle Atmosphäre der Hauptstadt auf sich wirken lassen. Verdutzte Blicke hatten ihn getroffen, kleine Kinder hatten sich hinter ihre Eltern gedrängt, um sich vor dem Mann mit den hängenden Schultern, den schwarzen Haaren und dem Gesicht eines weinenden japanischen Mädchens zu verstecken.

Doch.

Jetzt.

Ist.

Er.

Angekommen.

Er. Jeffrey Ron Arrow. Die Lüge. Angekommen an der letzten Haltestelle, bevor es endgültig Abschiednehmen heißt. Die Hände tief in den Taschen seiner olivfarbenen Cargohose vergraben steht er da, wirkt verschwindend klein vor der riesigen Villa, in der er die letzten Monate gelebt hat. Der blinkende „Exile“-Schriftzug hat den Dienst aufgegeben, ist nur noch zu erahnen in einem Durcheinander aus zersplitterten Leuchtstoffröhren.

Hier wurden in den letzten Monaten die Promotion-Fotos geschossen, die in den Vendetta-Shows mit dem Untertitel „People are strange“ veröffentlicht wurden und ein anonymes Spektakel ankündigten, das nun niemals das Licht der Welt erblicken wird. Weil es egal ist. Weil es eine Zukunft umriss, die niemals eintreten wird.

Trotz der milden Temperaturen schlingt die Lüge die Arme um den eigenen Körper, reibt sich fröstelnd über die Oberarme. Irgendwie ist er bedrückt. Irgendwie durchströmt ihn ein selten erlebtes Hochgefühl. Dann öffnet er das Tor, das ihn zum Haus führt, beschreitet mit bedächtigen Schritten den Weg zum Haus, der auf beiden Seiten von den Skeletten unbeleuchteter Laternenpfählen gesäumt wird. Hört, wie der Schotter leise unter seinen Füßen knirscht. Nimmt all das wahr, als wäre es das erste Mal. Doch dabei ist es das letzte Mal. Als er den Kopf hebt und die Augen etwas anstrengt, erkennt die Lüge beim Näherkommen eine Gestalt, die unterhalb der zerbrochenen Leuchtstoffröhren an der verschlossenen Eingangstür lehnt. Der Schritt des Sons of No One beschleunigt sich – er ist der Einladung gefolgt! Freudig erhöht sich das Tempo seines Herzschlages. Er ist gekommen, um sich zu verabschieden.

„Schön hast du es hier.“

Weniger ein Kompliment, mehr eine trockene Feststellung, begleitet von kühler Distanz in der Stimme. So ganz anders, als er ihn vorher erlebt hat. Kriss Dalmi steht da, spielt mit einigen Efeublättern, deren Ranken sich um die schmutzig-weißen Säulen des massiven Vordachs schlängeln, zupft eines davon ab und betrachtet es eingehend.

Kriss Dalmi: „Dreckig, heruntergekommen, vergessen. Ein Ort zum Wohlfühlen, fast wie Heimat.“

Daumen und Zeigefinger entfernen sich voneinander und augenblicklich verliert sich das Blatt im schrillen Pfeifen des Windes, wirbelt es irgendwohin, hinfort wie die Verheißungen, mit denen man ihn lockte. Mit denen er sich locken ließ. Wieder einmal.

Der Serbe dreht sich zu der Lüge um. Kann seine Augen unter der Maske nicht erkennen oder die Wahrheit, die sich dahinter verbirgt. Die zerfurchten Brauen deuten unendliche Fragen an, ohne dass eine von ihnen einer Aussprache bedarf. „Ich bin raus“. Drei simple Worte, die man nicht missverstehen kann, für die es in ihrem Fall nur eine Interpretation gab. Und sie war wahr. Keine Lüge. Der Mann beim Fanfest. Jemand. Eine Lüge, aber nicht Jeffrey Ron Arrow. Das ist ihm bewusst, als sie hier draußen stehen und sich für den Moment anschweigen.

Kriss Dalmi seufzt. Dieser Ort und sie, wie sie hier stehen, beschwört ein bedrückendes Gefühl in ihm herauf, wie er es schon lange nicht mehr gespürt hat, weil er solcherlei Emotionen unterdrückt. Oder sie betäubt.

Kriss Dalmi: „Meine Wut ist nicht mehr, Jeffy. Ich begreife es nicht, aber sie ist einfach weg. Das einzige, das bleibt, ist das Unverständnis, das Warum! Das Ende ist nah, damit habe ich mich bereits abgefunden. Ich verlange trotzdem eine Erklärung.“

Schwer hängen die Worte in der Abendluft, drängen sich zwischen die beiden neu gefundenen Freunde. Kurz erschaudert die Lüge – sind sie das wirklich? Freunde? Mit einer knappen Bewegung holt Arrow einen Schlüssel aus der Bauchtasche des Kapuzenpullovers und führt ihn in das Schloss der Haustür. Bedeutet Dalmi mit einem Kopfnicken, ebenfalls einzutreten.

Die beiden betreten das Gebäude. Stehen im halbseidenen Dämmerlicht des vorangeschrittenen Abends in einer gigantischen Eingangshalle, aus der sämtliches Leben gewichen ist. Keine eingeölten, halbnackten Jünglinge mehr, die sich an Poledancestangen räkeln. Keine Kleinwüchsigen mehr, die das Öl aus Flaschen über die verlorenen Jünglinge schütten. Nicht einmal mehr funktionierendes Licht.

Betretenes Schweigen.

Frisst sich.

Ungehört.

In die Gehörgänge.

Und Herzen.

Verlegen sieht Arrow den Serben an. Seine Stimme scheint ihrer selbst überdrüssig zu sein.

Arrow: „Ich führe dich rum, in Ordnung?“

Er zuckt gleichgültig mit den Schultern.

Kriss Dalmi: „Sicher.“

Abermals schwingt in diesem einen Wort ablehnende Kälte, die einen Schauer über die Haut der Lüge sendet. Die Knappheit, ein Wall aus Eis, der die wirkliche Enttäuschung, des Gefühl der Einsamkeit, zu maskieren sucht.

Die beiden passieren die Poledancestangen, als Arrow inne hält. Sich selber um eine der Stangen windet. Dalmi tief in die Augen sieht, versucht, im matten Straßenlicht, das durch die Oberlichter in die Eingangshalle fällt, all die Verlorenheit und Leere richtig zu deuten.

Arrow: „Ich glaube nicht, dass ich die richtigen Worte für das hier finde… für uns… für deinen Verlust und mein Ende. Vermutlich kann kein Wort dem Gefühl gerecht werden, das in unserer beider Seelen und Herzen wühlt und wuchert. Doch du sollst dennoch wissen, dass ich dir dankbar bin. Für dein Vertrauen. Dafür, dass du mich angenommen hast, obwohl meine Art, sich dir zu nähen, seltsam war. Ich wollte stets dein Bestes und ich denke, in all deiner Verrücktheit und Absurdität hast du auch so etwas wie Zuneigung empfunden.“

Die Lüge dreht sich zu seinem Begleiter um und wartet auf eine Reaktion, die aber nicht zu kommen scheint. Stattdessen ist er damit beschäftigt, die Umgebung zu mustern. Sein ungerührter Blick gleitet über die Überbleibsel wollüstiger Feiern. Darüber muss er nachdenken. Zuneigung? Wahrscheinlich. Oder etwa nicht?

Mit einer eleganten Drehung tänzelt die Lüge um die Poledancestange und deutet auf einen Barhocker, der nur eine Armlänge von den beiden entfernt ist.

Arrow: „Was dort liegt, soll deines sein. Ich dachte mir, dass es gut in deine Kunstsammlung passen würde. Also natürlich nur, falls du es haben möchtest…“

Die Maske.

Seine Finger deuten auf das in sich zusammengefallene Antlitz von Jona Vark. Rostbraune Spritzer bedecken die leichenblasse Gummihaut, Andenken von O'Kelly, dem Barbarian, Sanchéz. Kriss Dalmi scheint nicht so recht zu verstehen. Er fährt seine Hand nach dem falschen Gesicht aus, das Zeuge so vieler sinnloser Gewaltakte geworden ist, aber da greift Arrow Dalmi schon aufgeregt am Arm, zieht in mit sich, bringt ihn in die gleiche, schwermütige Stimmung, in der auch er sich befindet, deutet mit dem Kopf auf einen Pfeil, der ebenfalls unbeleuchtet ist. Einst leuchtete er rosa, damals, als NEON und er Blake Milton in die Kabine lockte, in der vor vielen Jahren Peepshows gezeigt wurden. Der pink leuchtende Pfeil, der ein Fingerzeig für den Namen Arrows sein sollte. Kurz durchfluten die Lüge eigenartige Gefühle… mag es das sein, was sie Wehmut nennen? Das, was sie Sehnsucht nennen?

Als die beiden die Kabine betreten, legt die Lüge einen Schalter um. Mit einem knarzenden Geräusch gerät das Rolltor in Bewegung, das die Sicht auf die frühere Tanzkabine verdeckt. Ein weiterer Schalter wird bewegt. Ein Halogenscheinwerfer beleuchtet die leere Kabine, beleuchtet auch den sterilen Raum, in dem sich die Lüge und der Junkie befinden. Wieder werden die Fingerabdrücke sichtbar, die alte Männer und verzweifelte Wittwer in rasender Geilheit auf dem Glas hinterließen, das die beiden Räume voneinander trennt. Die Lüge kneift die Augen ob der plötzlichen Helligkeit zusammen, betrachtet Dalmi, dessen Gesicht in dem strengen Licht kränklich wirkt. Wieder ergreift Stille den Augenblick, macht ihn zäh und unangenehm. Arrow spürt die Enttäuschung, die an Dalmi nagt. Leise räuspert sich die Lüge, betrachtet seinen eigenen Schatten, der sich gigantisch an der Wand hinter ihm abzeichnet.

Arrow: „Kriss… es tut mir leid. Du darfst es nicht so betrachten… dass ich mich von dir abgewendet hätte. Das habe ich nicht. Werde ich nicht. Ich werde immer irgendwie bei dir sein.“

Schweigen.
Nervös zieht Arrow einen überstehenden Fetzen Haut von einem Finger.
Blutet.
Schweigt.
Erträgt Dalmis Blicke nicht.
Schnieft.
Legt den Kopf schief.

Arrow: „Du sollst es sein, der mein größtes Geheimnis erfährt. Der die Wahrheit der Lüge erkennt. Das, was keine Yai erfahren durfte, keine Jona Vark, nicht einmal Mad Dog.“

Kriss Dalmi: „Wovon sprichst du?“

Wortlos starrt Arrow Dalmi an.
Starrt Dalmi Arrow an.
Die Lüge senkt den Kopf.
Geblendet vom Streiflicht seiner eigenen Wahrheit.
Geblendet vom Halogen, in dem schon Hunderte lüstern onanierten.
Ihr tiefstes Ich offen legten.
Doch sein Ich…
…es ist eine noch größere Offenbarung.
Mit zitternden Fingern greift die Lüge nach der Maske.
Lodernde Flammen vor seinem inneren Auge.
Berstendes Holz.
Ein Dachgiebel, der über ihm bricht.
Tausende Bilder.
In Sekunden vor dem inneren Auge.
Er hört seine Schreie.
Sieht das Licht eines OP-Saals.
Die Schäden sind reparabel.
Sie werden aussehen wie früher.
Greise Finger mutieren zu rasanten Gazellen.
Mut erfasst den Resignierenden.

Ein Ruck.
Die Maske.
Fällt.

Kriss Dalmi: „Mein Gott...“

Ein Moment, so einzigartig wie die Fingerabdrücke, die lediglich Millimeter vor dem vernarbten Antlitz verweilen. Er ist wahrlich sprachlos, macht den Versuch über das gleichsam scheußliche und wunderschöne Gesicht, dieses aus Schmerz gewobenen Teppichs zu streichen, doch die Lüge wischt seine Hand sanft hinfort. Er stockt, kann das alles nicht einordnen. Sie, hier an diesem Ort, in dieser Situation.

Die Spitze eines weinroten Chucks tritt die Maske.
Spielerisch.
Neckisch.
Stück für Stück…
…näher zu Dalmi.
Aus den Weiten seiner Hosentaschen-
ein Taschentuch.
In der Wichskabine.
Arrow gluckst.
Reicht es Dalmi.

„Zerstöre die Kunst, Kriss! Zerstöre sie!“

Der Junkie schweigt.
Erstaunt.
Betrunken vor Verwirrung.
Arrow spuckt.
Feuchtes Taschentuch.
Drückt es Dalmi in die Hand.

„Zerstöre sie!“

Mit einer unsicheren Bewegung nähert sich die Hand mit dem Taschentuch dem Gesicht der Lüge. Arrow dreht sich leicht zum Halogenlicht, dreht sich seiner Sonne entgegen. Narben zeichnen eine groteske Landkarte um die Augen, die Nase und den Mund, rote Streifen mischen sich unter schwarze Linien, alles schimmert rosa. Die Lüge schließt die Augen. Lächelt stumm. Erhaben. Dalmi berührt mit dem befeuchteten Taschentuch das Gesicht Arrows. Streift die erste Narbe… verwischt sie… Wunden verschwimmen… die größte Lüge… enttarnt… immer wildere Bewegungen des Serben… Arrow stöhnt unter den Berührungen… immer schneller… immer lauter… Dalmi spuckt auf das Taschentuch… kreist durch das Gesicht der Lüge… rot wird schwarz wird rosa… die Narben… sind keine Narben mehr… keine Lügen mehr… das hässliche Entlein… ein schöner Schwan… so wunderschön, so strahlend, so lebendig.

Irgendwann hält Dalmi inne. Glotzt. Begreift nicht. Arrow lacht, legt eine Hand auf seine Schulter, hebt mit der anderen die Maske auf, die zerknautscht zu ihren Füßen liegt. Reicht sie Dalmi. Immer noch lachend. Sein Meisterstück, es ist perfekt, so perfekt.

Arrow: „Nimm du sie, nimm sie und bring zu Ende, was du zu Ende bringen musst.“

Fährt sich mit einer Hand durch das feuchte Gesicht, verreibt noch mehr von den Narben, die keine sind, keine waren, niemals, niemals Narben waren.

Mit Unglauben begegnet der Serbe dieser neuen Wahrheit, schüttelt den Kopf mehrmals, weil die Augen das Gehirn nicht überzeugen können. Er bebt merklich, atmet schneller. Hinter den dunklen Iriden wütet ein Wirbelwind ungeordneter Gedanken, die ihm mit der Wucht eines abgefeuerten Schrotgewehrs durch den Kopf schießen.

Kriss Dalmi: „Ich kann nicht glauben das...“

Er bringt den Satz nicht zu Ende, streckt stattdessen seine Hand nach dem Gesicht aus, streicht mit den Fingerkuppen erst über die eine, dann die andere Wange und betrachtet die abgesonderte Farbe darauf.

Arrow fährt sich durch die Haare. Lächelt. Sieht glücklich aus. Endlich, nach all den Jahren. Ein kurzer Griff zu einem der Schalter an der Wand. Langsam fährt das Rolltor herunter. Allmählich, ganz allmählich nur… verstirbt das grelle Licht. Die Lüge lächelt den Junkie an. Breitet die Arme aus. Ohne zu wissen, warum, fällt Dalmi ihm an die Brust. Schluchzt ungehört. Bebt ungesehen. Sanft streicht ihm Arrow über die ungewaschenen Haare.

Arrow: „Du hast mich bereichert, Kriss. Ich bin glücklich, dass ich dich kennen lernen durfte. Doch ich habe genug davon. Von all dem hier… ich will keine Maske mehr. Keine falschen Narben mehr. Kein Gimmick. Ich gehe nach Hause, Kriss. Wo auch immer das ist, ich gehe nach Hause.“

Eine Träne der Rührung rinnt an der Wange der Lüge herunter. An der Wange der Lüge, die nun endlich die Wahrheit gefunden hat. Geduldig löst er sich aus der Umarmung des Serben. Streicht seinen weißen Pullover glatt, der von roten, schwarzen und rosafarbenen Flecken übersät ist. Das Ende ist gekommen. Ein letztes Mal Abschied nehmen. Von der Lüge. Von der Wahrheit. Mit dem Handrücken wischt er die Tränen aus seinem eigenen Gesicht. Und streckt ihm die Hand entgegen. Schwach und zittrig dringen die Worte aus der Kehle.

Kriss Dalmi: „Ich danke dir, Jeffrey. Ich danke dir für alles. Dass du mir den Weg ebnetest, dass ich von dir lernen durfte, dass du dich mir in Gänze offenbart hast. Ich werde nie wieder jemanden wie dich treffen.“

Nur noch wenige Zentimeter des Halogenlichts berühren die beiden Silhouetten. Die Lüge ergreift die ausgestreckte Hand des Serben. Zwei Scherenschnitte, die sich zunicken. Dann löst Arrow den Griff. Lässt Dalmi in der Dunkelheit zurück. Lässt ihm die Zeit, die er braucht.

Passiert die Eingangshalle. Sieht vor seinem inneren Auge NEON LOVE in seinem Arrow-Outfit. Sieht Schablonen der halbnackten Jünglinge in der Dunkelheit tanzen. Ein Lilliputaner steht am anderen Ende der Halle. Hebt winkend die Hand. Wissend. Arrow winkt zurück. Öffnet die schwere Eingangspforte. Eine der erloschenen Laternen flackert auf, als die Lüge nach draußen tritt. Erstaunt blickt er nach oben. Er, der Mann mit den tausend Namen, die nun auf ewig verklingen. The Lie. Son of No One. Kate Moss des professionellen Wrestlings. Mortifer. Eines Tages wollte er sich Excellence of Eloquence nennen. Der Tag wird niemals kommen. Mad Dog, Kriss Dalmi, Maria Mason und Jeffrey Ron Arrow. Das Pack of Mutts. People are strange. Eine Geschichte, die auf ewig eine Vision bleiben wird. Eine uneingelöste Utopie.

Arrow schließt die Tür hinter sich. Hält inne. Erkennt eine Gestalt unter der flackernden Laterne.

Erkennt IHN. Den kleinen Krieger. Den kleinen Träumer. Den Mann, der ihn in den letzten Monaten stets verwirrte, als er sich mit einer Taube umgab und seine Welt in ihren Grundfesten erschütterte. Und wieder steht er da, den Kopf in den Nacken gelegt, den Wegen der Sterne folgend.

Arrow verharrt. Greift in seine Bauchtasche. Befördert die schwarze Packung Bendson & Hedges zutage. Eine letzte Zigarette, während der kleine Krieger im Licht der flackernden Laterne tanzt. Arrow schließt die Augen. Pustet Rauch als kleine, zerfallende Säule in den Nachthimmel. Wendet den Kopf zur Seite. Nimmt mit einem tiefen Atemzug die bittersüße Luft einer Berliner Nacht auf. Noch ein Zug. Ein weiterer. Immer hastiger. So, wie auch der kleine Mann immer hastiger seiner ungehörten Melodie folgt und in eleganten Pirouetten einen einsamen Walzer tanzt.

Keine Gimmicks mehr. Er weiß, wer der Mann ist, der mit den Tauben getanzt hat. Er weiß, dass er der Dragon of Melancholy ist. Sein größtes Idol seit Jugendzeiten. Die Figur, die den Zauber in das Wrestling gebracht hat. Die Figur, die sein Herz berührte und seine Seele zum Leben erweckte, wenn die Traurigkeit nur allzu groß war.

Schritt.

               Für.

                        Schritt.

Und dann immer schneller. Rennt zu dem kleinen Krieger, der ihm erwartungsvoll entgegenstarrt. Als er ihn erreicht, bleibt die Lüge stehen. Wirft einen Blick zurück. Sieht Dalmi regungslos vor der Eingangspforte stehen. Arrow legt den Kopf schief. Ein letztes Mal. Hebt eine Hand zum Gruße. Dalmi nickt stumm zurück.

Die Lüge legt einen Arm um die Schulter des Drachen. Um die Schulter… seines Freundes.

Arrow: „Lass uns nach Hause gehen.“



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