Scene

Id
1493  
Name
Open Challenge  
Summary
 
Position
8  
Scenetype
Live  
Created At
2014-04-29 00:17:10  
Edited At
2014-05-24 17:23:50  
Show
Vendetta 102  


Lisa Sanders steht, mit einem Mikrofon bewaffnet, im Ring zum Interview bereit. Die kleine Kölnerin blinzelt etwas angestrengt in die hellen Spotlights, während sich der Kunstnebel langsam verzieht.

Lisa Sanders: „Meine Damen und Herren, liebe Fans der Phoenix Crossover Wrestling Association! Begrüßen sie mit mir unseren Undisputed Gerasy Champion… ALISTAIR BRUNSWICK!“

Sofort setzt ohrenbetäubender Jubel der Fans ein. Seit Alistair wieder „auf dem Markt“ ist, hat der Anteil der kreischenden Mädchen wieder beträchtlich zugenommen. Ein Plüschtierregen und Spitzenunterwäsche in verboten kleinen Größen prasseln auf den Entrance, wo sich in diesem Moment der Vorhang öffnet…

NO RESPECT
NO LOYALITY
NO REGRETS

 

Undisputed Gerasy Champion
 

 

… und den Prototypen eines Modellathleten ausspuckt. Alistair trägt nichts außer einer stone washed Jeans und schweren Combat Boots, so dass wir jeden einzelnen Muskel seines perfekt definierten und eingeölten Oberkörpers erkennen können. Sein Lächeln lässt die Frauen dahinschmelzen und er fährt sich mit der linken Hand durch das modisch geschnittene blond gesträhnte Haar. In der Rechten hält er den Undisputed Gerasy Title, der golden funkelt und auf dem sein Name steht. Es ist so verdammt gut, Alistair zu sein.

Mit federnden Schritten stapft der Champ zum Ring, während er den Titelgürtel in die Höhe streckt. Auch Lisa muss zugeben, dass sich ein angenehmes Kribbeln in ihrem Bauch (und auch ein Stückchen darunter) einstellt, als der Kalifornier ihr gegenübertritt und sie aus himmelblau strahlenden Augen anblickt. Den Titelgürtel hat er mittlerweile auf seiner Schulter abgelegt, so dass sie sich selbst darin gespiegelt sieht – und dabei gar nicht einmal so eine schlechte Figur abgibt, wie sie zufrieden feststellt. Auch mit über 30 Jahren gibt es keine Problemstellen, die man mit ein wenig Schminke nicht beheben könnte.

Lisa Sanders: „Alistair, werfen wir zusammen einen Blick zurück auf die Geschehnisse von Vendetta 101. Gemeinsam mit Robert Breads hast du Blake Milton und Robert Barker besiegen können. Wie hast du dich in diesem Moment gefühlt?“

Alistair lächelt. Zu gut hat er noch das Match in Erinnerung, die beiden hatten ihm und dem Kanadier alles abverlangt.
Als er Lisa das Mikrofon aus der Hand nimmt, streifen seine Finger wie zufällig über ihre.
Das Kribbeln verstärkt sich. Der Barbarian war nie so zärtlich zu ihr.

Alistair: „Weißt du, Lisa, dieses Match war etwas ganz besonderes für mich. Milton und Barker sind die Gewinner der Cotatores Trophy und damit gehören sie zu den besten Tag-Teams der Welt. Breads und ich dagegen haben zum ersten Mal Seite an Seite gekämpft. Das ist nicht leicht, denn im Team zu kämpfen bedeutet, aufeinander abgestimmt zu sein und sich blind zu vertrauen. And guess what… wir haben diesen Kampf gewonnen und damit bewiesen, dass wir uns vor keinem Gegner in der PCWA zu verstecken brauchen. Vor KEINEM.

Ich hege keinen besonderen Groll mehr gegen Barker und Milton. Sie ziehen ihr Ding hier durch und ich meines. Solange unsere Interessen nicht miteinander kollidieren, führe ich keinen heiligen Kreuzzug ins Feld, der am Ende niemandem etwas nützt. Ihr glaubt, dort unten im Keller eure Intrigen spinnen zu können? Fine, nur hütet euch davor, es zu weit zu treiben, denn diese Liga hier ist mein Zuhause geworden – und ich werde nicht mitansehen, wie irgend jemand dieses Zuhause beschmutzt.“

Klare Worte auch in Richtung Eleven, der Alistairs Freund Mad Dog so übel mitgespielt hat.

Lisa Sanders: „Alistair, nach dem Match wolltest du den Fans deinen nächsten Herausforderer benennen und für mich klang es so, als würde Robert Breads diese Ehre zuteil werden. Steht uns ein Champion vs. Champion Match bevor?“

Ein Raunen geht durch das Publikum. Offenbar eine mögliche Begegnung, die auf die Zustimmung der Fans trifft.

Alistair: „Ich stehe zu meinem Wort. Ich bin ein Fighting Champion. Man mag von Robert halten, was man will. Im Ring hat er sich als ehrlicher Worker gezeigt, der keine Herausforderung scheut. Und dennoch gibt es eine Sache, die mich an ihm stört. Show für Show kommt er hier heraus und quält uns mit endlosen Tiraden darüber, was ihn an der PCWA nervt. Mal ist es die ausufernde Gewalt, mal sind es die ehemaligen GCWler, die hier nichts mehr zu suchen hätten. Ich frage mich, warum ein Robert Breads dann tatsächlich noch immer hier ist, wenn er in dieser Liga soviel schlechtes findet?

Ich sage es euch allen: Robert Breads ist immer noch hier, weil die Phoenix Championship Wrestling Association der Ort ist, an dem sich die besten Wrestler der Welt miteinander messen. Das hier ist kein lausiger Hinterhof, keine nach Schweiss und Pisse stinkende Bingohalle. Wem nützt es, anderswo der Hecht im Karpfenteich zu sein? Hier sind die Männer und Frauen, die dieses Business verinnerlicht haben und sich vor keiner Herausforderung scheuen. Dieser Titel hier ist die höchste Krone des Wrestlings und ich habe drei lange Jahre dafür gekämpft. Nicht nur mit Worten, sondern auch im Ring. Robert, du magst dich selbst für den besten Wrestler der Welt halten, aber bevor du nicht MICH besiegt hast, wirst du niemals die absolute Spitze erklommen haben.“

Er klopft ein paarmal mit der Hand auf den Titelgürtel und blickt herausfordernd direkt in die Kamera.
Und er weiss, dass dort hinten viele Männer sich jedes seiner Worte genau anhören.

Lisa Sanders: „Allerdings hat dir da ein anderer Wrestler einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dein eigener Schwiegervater, Azrael Rage, hat einen Vertrag, der ihm beim Brawlin‘ Rumble ein Match gegen dich zusichert. Was denkst du über dieses Match? Werden wir nun beim Rumble euer Re-Match um den Undisputed Gerasy Title sehen?“

Alistair legt den Kopf leicht schief und blickt Lisa ernst an. Man sieht ihm deutlich die Abneigung, ja fast Ekel, vor seinem Wahlverwandten an.

Alistair: „Azrael ist und bleibt ein Intrigenspieler, dem genau zwei Dinge auf dieser Welt wichtig sind: Er sich selbst und das große Gold des Undisputed Gerasy Champions. Und ich habe ihm eines dieser Dinge weggenommen. Von dem Moment an, als ich seine Schultern auf der Matte hatte, da war mir klar, dass er noch irgendein Ass aus dem Ärmel ziehen würde, irgendeine schmutzige List.

Die Leute haben viel zu lange einen Azrael Rage um diesen Titel kämpfen sehen. Sie haben mitansehen müssen, wie er sich an dieses Gold klammert, wie er jeden noch so dreckigen Trick benutzt hat, um es nicht abgeben zu müssen. Aber ich habe ihn überlistet und zwar in genau dem Moment, als Azrael zu gierig wurde und sich auch noch die Cotatores Titles sichern wollte. Das nagt an Azrael.

Für einen Moment, da glaubte ich, der Verlust seines Titels würde Azrael zu einem anderen Menschen machen. Zu einem besseren Menschen vielleicht. Er hat Stevie Van Crane in einem fairen Kampf besiegt und vor dieser Leistung ziehe ich meinen Hut. Irgendwann, da wäre ich sicherlich nicht umhin gekommen, auch einem Azrael Rage einen Kampf um diesen Titel zu geben… und zwar genau dann, wenn er erkannt hat, dass in der PCWA nur die Leistung zählt und nicht Macht, Geld oder ein großes Mundwerk. Nur dadurch hätte er ein würdiger Herausforderer werden können und nicht durch irgendeinen Wisch, auf dem unsere beiden Namen stehen.

Azrael, ich werde dich beim Brawlin‘ Rumble besiegen und damit einen Schlussstrich ziehen unter eines der düstersten Kapitel in der PCWA-Geschichte.“

Die letzten Worte hat er ruhig, fast bedächtig gesprochen. Aber mit vollster Überzeugung.

Lisa Sanders: „Deine offene Herausforderung führt zu einer interessanten Konstellation: Solltest du deinen Titel vor dem Brawlin‘ Rumble verlieren, dann hat Azrael zwar ein Match gegen dich sicher, aber es wird in diesem Kampf nicht um den Undisputed Gerasy Title gehen. Welche Konsequenzen hat das für dich?“

Alistair lächelt. Aber es ist ein bitteres Lächeln.

Alistair: „Ich weiß, welche Konsequenzen diese Situation vor allem für Azrael Rage hat. Er wird sich jedes einzelne meiner Matches genau ansehen und dabei in der für ihn scheußlichen Situation sein, mir die Daumen drücken zu müssen. Denn wenn ich den Undisputed Gerasy Title verliere, dann wird auch er keinen Kampf um den Belt erhalten.

Ich bin in den letzten Tagen häufig gefragt worden, ob Azrael sogar soweit gehen würde, in meine Kämpfe einzugreifen. Zu meinen Gunsten? Niemals würde er das tun. Aber er erreicht sein Ziel auch, indem er mich vor den Augen des Ringrichters attackiert und damit eine Disqualifikation bewirkt. Ich habe also doppelt auf der Hut zu sein: Einmal vor meinem Gegner im Ring und einmal vor dem Mann, der mich vielleicht von außerhalb attackieren könnte.“

Für einen kurzen Moment sieht Lisa vor ihrem inneren Augen ein Bild, mit dem die heutige Vendetta enden könnte: Alistair Brunswick, niedergeschlagen und in seinem eigenen Blut.
Nein, soweit darf es nicht kommen. Soweit wird es nicht kommen.
Oder doch?

Lisa Sanders: „Das bringt uns direkt zu unserem heutigen Main Event. Du hast eine offene Herausforderung, eine Open Challenge ausgesprochen. Nun stellen wir uns gespannt die Frage: Wer hat darauf reagiert? Wer ist dein Gegner nachher?“

Alistair: „Diese Frage ist wirklich interessant, Lisa. Jona hat mir vorhin mitgeteilt, dass mein Gegner bereits hinten warte. Jeder hier in der PCWA hat meine Worte gehört, hat meine Bedingungen vernommen. Und alle Fans fragen sich: Wird ein Neuling wie Rolan so früh bereits nach den Sternen greifen wollen? Werden gestandene Männer wie Kevin Sharpe oder Grizz Lee, die viel zu lange von der Spitze ferngehalten wurden, endlich in das verdiente Spotlight treten können?

Sogar in anderen Ligen hat man meinen Aufruf wahrgenommen. Auch bei German Fantasy Championship Wrestling, auch bei Firestar Pro Wrestling, auch bei Showdown Wrestling Entertainment da draußen sind meine Worte angekommen. Auch diese großartigen Kämpfer hätten es verdient, hier und heute gegen mich anzutreten.

Ich scheue keinen Fight, denn ich bin überzeugt, dass ich JEDEN von ihnen bezwingen kann. Und deshalb fordere ich DICH auf: Komm heraus und zeige dich den Fans der Phoenix Crossover Wrestling Association! Zeige dich hier in MEINER Halle, vor MEINEN Fans und in MEINEM Ring!"

Mit diesen Worten drückt er Lisa das Mikrofon zurück in die Hand und wendet sich zum Entrance um.
Irgendwo dort hinten muss er sein, der Gegner für den heutigen Main Event.

Lisa Sanders: "Ich glau-"

Weiter kommt sie nicht. Ein Geräusch schneidet ihr das Wort ab, als würde der kleinen Kölnerin jemand ein rostiges Messer durch die Kehle ziehen. Misstönend, kreischend, zischend. Der Alieratron, der bis eben noch eine sich wiederholende Animation des Vendetta-Logos abbildete, versinkt in einem Schleier aus unstetem Schneegestöber, aus dem sich nach und nach einzelne, feingliedrige Letter zu mehreren Sätzen zusammenfügen.

Du hast sie zu dir gerufen.
Und sie sind dir gefolgt.
Doch wie wirst du sie nun wieder los?

Noch bevor der Undisputed Gerasy Champion nach einer Antwort auf diese Frage suchen kann, dringen gefilterte, elektronische Klänge an sein Ohr, wie von einem Grammophon abgespielt. Er und Lisa Sanders, die Zuschauer sowie die Kommentatoren tauschen ahnungslose Blicke aus, als ein finsterer Industrial-Rhythmus einsetzt. Es ähnelt keiner Musik, die man von einem PCWA-Worker kennen würde. Vielleicht ein Rookie aus der BWH, der sein Glück gegen den neuen Champion versuchen will? Ein Veteran, der seinen alten Entrance Theme durch diesen ersetzt hat? Oder jemand gänzlich anderes?

Diese und weitere Fragen, die in den Köpfen der Zuschauer schweben, erhalten sogleich eine Antwort, als hinter dem Vorhang eine große, schwerfällige Gestalt zum Vorschein kommt. Olivgrün schimmerndes Ölzeug, das sie wie der auferstandene Geist eines ertrunkenen Fischers wirken lässt. Die Kapuze ist ins Gesicht gezogen, gibt den Blick auf die Augen nicht frei. Unter ihrem Schatten lugt ein ungepflegter, dunkler Bart hervor. Bis auf das zur Hälfte verhüllte Gesicht scheint man von seiner eigentlichen Gestalt, die sich unter dem Ölzeug verbirgt, keinen richtigen Blick erhaschen zu können. Die Hände des Neuankömmlings stecken in schwarzen Handschuhen und nur das, was diese Hände am Gurt festhalten, scheint für einige wenige im Publikum die Verwirrung aufzulösen. Ein Wrestling-Titel, auf dessen zentraler Plakette vier Buchstaben über einem von Lorbeerkränzen umrahmten, goldenen Adler darüber Auskunft geben, aus welcher Liga die Gestalt entsprungen ist...

G F C W

Ohne einen Augenblick Zeit an das argwöhnische Volk in den Zuschauerrängen zu verschwenden, marschiert der Kapuzierte zielstrebig zum Ring. Kurzzeitig gibt die Kamera bei diesem Marsch auch das Bild auf die Reaktionen der beiden Akteure im Squared Circle preis. Lisa Sanders merkt man ihr leichtes Unbehagen an, tritt sie doch einen schützenden Schritt hinter ihren Interviewpartner. Alistair Brunswicks Gesicht hingegen zeigt einen prüfenden Blick. Ob er mit einem Besuch aus der Dortmunder Liga gerechnet hat, kann man an diesem Ausdruck nicht ablesen. Aber er bleibt aufmerksam. Er wartet und beobachtet.

Vor der Ringtreppe bleibt der Neuankömmling stehen. Der Titel, der bis eben noch mit der einen Seite des Ledergürtels über den Boden schliff, wird emporgereckt und auf der linken Schulter abgelegt. Dann schließt er zu den sich im Ring Befindlichen auf, erklimmt die Ringtreppe, steigt ob seiner nicht unbeeindruckenden Körpergröße über das oberste Seil in den Ring, baut sich vor dem amtierenden, höchsten Champion der PCWA auf und wartet, bis sein klanglicher Vorbote der Band Aesthetic Perfection im Wust der tuschelnden Fanstimmen versinkt.

Unruhige Sekunden verstreichen, in denen sich PCWA- und GFCW-Repräsentant wortlos mustern, bis ihre Blicke auf dem Augenpaar ihres Gegenübers kleben bleiben. Lisa Sanders scheint eine bevorstehende Gefahr zu wittern, überlässt ihren handlichen Schallwandler Alistair und steigt dann aus dem Ring. Auch dem Ligenfremden wird ein Mikrofon gereicht. Frei von jedem Gefühl, frei von jeder Note Menschlichkeit, verlassen die ersten gesprochenen Worte des Fremdlings und ein eisiger Schauer kriecht über die Rücken des zusehenden Kollektivs.

"Du wirkst von meinem Auftauchen überrascht, Champion."

Alistair: "Das trügt... Champion. Oder sollte ich dich besser Scheusal nennen?"

Für einen Moment verzieht sich der rechte Mundwinkel des GFCW-Mannes zu einem Schmunzeln. Scheusal. Ein Spitzname, den sich der Sonderling vor Alistair Brunswick einst selbst gab, um sich von seiner ehemaligen Spezies abzugrenzen, mit der er nicht mal mehr seine äußere Hülle gemein hat. Einst unter dem Namen Gordon Mercer, aufsteigender Stern der Indie-Wrestling-Szene an der amerikanischen Ostküste in und um Newark, New Jersey. Ein langsamer aber steter Weg an die Spitze dieses Business war für ihn vorgesehen, bis er eines verheißungsvollen Tages einen Pakt mit dem Teufel in Menschengestalt eingegangen ist und daraufhin zu dem Scheusal wurde, das er heute ist; einem Monstrum, das unter den Menschen im Alltag nicht mehr exisistieren konnte. Geflohen in den Schutz allgegenwärtiger Dunkelheit, in die Kanalisationen der Großstädte, ernährt von Müll und toten Ratten, dem Wahn des selbstgewählten Exils verfallen. Sehr schnell hat er, Gordon Mercer, gemerkt, dass er mit dem pelzigen, kleinen Ungeziefer, das ihn tagtäglich in der Düsternis des Erdreichs umgab, mehr gemein hatte, als mit den Menschen an der Oberfläche. Doch die Verzweiflung wuchs mit jedem verstreichenden Jahr, die Einsamkeit wog immer schwerer, drückte mehr und mehr auf seine gequälte Seele. Ein Mensch bleibt ein Mensch, egal wie sehr man seine eigene Natur verneint. Er musste zurückkehren und er kehrte zurück. Zurück an die Oberfläche, zurück an den einzigen Ort, die einzige Institution, wo der Fluch, mit dem man ihn belegt hatte, keine Rolle spielte. Gordon Mercer starb unter der Erdoberfläche. Zurück kam an diesem Tag jemand anderes...

"Du darfst mich Raphaellus Krueger nennen!"

Ein knappes Nicken von Alistair Brunswick heißt den Neuankömmling willkommen. Ein Mindestmaß an Höflichkeit, das man jemandem, der sich in der gleichen Position befindet, entgegenbringt. Trotzdem verraten die ernsten Gesichtszüge des Gerasy Champions, dass er über das Auftauchen nicht gerade begeistert wirkt.

Alistair: "Ich weiß, wer du bist, Krueger, und ebenso ist mir zu Ohren gekommen, was du in deiner angestammten Liga veranstaltet hast, um so weit zu kommen, wie du jetzt gekommen bist. Deinem Ruf als Scheusal hast du in der GFCW alle Ehren gemacht. Deinem Herausforderer hast du erst durch eine Disqualifikation seinen Titelgewinn gekostet und ihn im Anschluss auch noch ins Krankenhaus geprügelt, damit du deinen Titel nicht ein weiteres Mal gegen ihn verteidigen musst, – du kannst wirklich stolz auf das sein, was du in und für die GFCW geleistet hast!"

Der sarkastische Ton wäre wahrscheinlich nicht mal Kriss Dalmi in AstroHappy-Vollnarkose entgangen. Alistair führt die Hand die das kleine Sprechgerät hält, zu seiner Stirn und schüttelt verständnislos den Kopf.

Alistair: "Das konntest du nur mit deinem Titelgewinn selbst toppen, den du dir durch Verrat und verbrecherische Aktionen erschlichen hast. Wie passend, dass du dich ausgerechnet mit meinem Schwiegervater zusammentust, um meine noch junge Regentschaft als Undisputed Gerasy Champion zu torpedieren. Richtig! Ich lese die Dirtsheets und weiß sowohl über deine schändliche Vergangenheit, als auch über deine kleine Unterredung mit Azrael Rage bescheid!"

Das, mit dem er seit einigen Tagen gerechnet hat, als einige seiner treuen Groupiegirls ihm über diverse Social Media-Kanäle mitteilten, dass sich sein Gerasy-Vorgänger dazu herabgelassen hatte, die GFCW-Wochenshow "War Evening" zu besuchen, die vor zwei Tagen ebenfalls in Berlin stattfand, ist raus! Gleichsam regen sich nun auch erste negative Stimmen aus dem Publikum gegenüber dem Neuankömmling. Raphaellus Krueger schweift mit seinen schmutzig-grünen Augen über ihre Köpfe hinweg, nimmt ihre Reaktionen zur Kenntnis und lächelt schmal. Die Katze ist also aus dem Sack. Wie gut, dass er ihr die Haut bereits vom Körper gezogen hat und sie in der Gosse verbluten ließ...

Raphaellus Krueger: "Diese miskroskopischen Sphären auf denen Männer und Bestien wie wir wandeln, ist so beschränkt in der Vielfalt ihrer Bewohner! Es scheint keinen Unterschied zu machen, ob die Gladiatoren, dem Volk in dieser oder einer anderen Arena Jubelschreie entlocken und ihren Blutdurst stillen, wenn sie sich gegenseitig die Schwerter in ihre Bäuche rammen und Kehlen durchtrennen. Ist die GFCW Heimstätte janusköpfigen Heuchlertums, so scheint dies mindestens so sehr der Fall für die PCWA zu sein. Du, der du diesen Titel nur durch endlose Kettenglieder aus Kabalen deinem Vorgänger aus seinen stählernen Klauen entreißen konntest, bist die Bestätigung für diese Annahme. Deine Worte besitzen das Gewicht einer Feder, sie werden von heulenden Winden davongetragen und übertönt. Wirst du etwa so dafür sorgen, dass niemand deine neue Heimat beschmutzt? Oder jagst du mit dem Raub des Titelgoldes nicht schon längst deinem eigenen Spiegelbild hinterher?!"

Dem herausfordernden Unterton dieser letzten Frage folgt abermals ein schmaler Ausdruck des Amüsements. Alistair lässt sich nichts anmerken, drückt den Undisputed Gerasy noch fester an seine Schulter.

Alistair: "Ich stelle mich nicht hier hin und behaupte, dass alle meine Handlungen einem höheren Ziel dienten. Ich bin nicht der strahlende Ritter auf einem weißen Ross in seiner blank polierten Rüstung, der hier für das Gute kämpft. Aber all das, was ich getan habe, geschah aus tiefster Überzeugung. Ich habe vollendet, was sich jeder hier – egal ob Wrestler oder Fan – gewünscht hat! Ich habe sie von Azrael Rages Terrorherrschaft befreit und den finsteren Gott der PCWA gestürzt. Ob mich das zum Buhmann oder zum Liebling der Massen macht, das ist mir egal. Mir geht es um die Sache, mir geht es einzig und allein um die PCWA."

Klare Ansage zum Status Quo der Liga und auch das Gros der Fans stimmt dieser Sichtweise lautstark zu.

Alistair: "Ich stehe heute Abend hier, um mit den Vorwürfen aufzuräumen, die immer wieder kursieren. Ich stehe heute Abend hier, um die Kritikerstimmen ein für alle mal zum Schweigen zu bringen. Ich will den Fans hier im Theatre und dort draußen auf der ganzen Welt beweisen, dass ich ein Fighting Champion bin und nicht meine Zeit bei einer sinnlosen Diskussion mit einem weiteren Lakaien von Azrael Rage verplempern!"

Die absolute Entschlossenheit schwingt in der Stimme des jungen Kaliforniers mit. Er rückt das Emblem seines Titels auf seiner Schulter zurecht, macht einen demonstrativen Schritt auf das Scheusal zu, sodass sie nicht mal mehr zwei Meter voneinander entfernt stehen. Der Angesprochene sieht mit unverändert neutraler Miene an dem PCWA-Champion herab, sodass unter der Kapuze ölig-schwarze Strähnen seiner fettigen Haarpracht zum Vorschein kommen und in das Gesicht fallen. Auch wenn die Züge nichts auszusagen scheinen, sagt die Körpersprache des selbstbetitelten "Denkmals der Unvollkommenheit" triefenden Spott aus. Raphaellus Krueger lässt sich Zeit, führt die massive, behandschuhte Pranke, die den handlichen Schallwandler festhält, nur sehr langsam zu seinem Mund und antwortet in einer unmenschlich kalt klingenden Intonation.

Raphaellus Krueger: "Dann weißt du sicherlich auch, dass ich nicht nur hergekommen bin, um den Geiferern auf den Rängen nachzustreben."

Auch der GFCW Heavyweight Champion rückt das Zeichen seiner Überlegenheit, die verfluchte Krone, auf seiner Schulter zurecht.

Raphaellus Krueger: "Du hast deine Anrufungen laut genug in den Nachthimmel geschrien! Ich habe sie vernommen und bin aus den kältesten Niederrungen Gehennas emporgestiegen, um deinen Ruf zu erwidern. Ich bin der Nachtalp, der dich im Schlaf heimsucht, um die schlimmsten Befürchtungen, die du tief unter Schichten von Muskelgewebe, Blutgefäßen und Epikarden im Innersten deiner Cardia begraben weißt, zurück an die Oberfläche zu befördern. Ich bin der Prüfstein, der so lange gegen das glühende Metall geschlagen wird, bis aus der Feuermasse die Gewissheit erwächst, ob sich darunter Strass oder Diamant verbirgt. Keiner der Aufbegehrenden, deren Namen du so sorgsam zu Papier gebracht hast, vermag es, Wahrheit von Unwahrheit zu trennen! Du hast meine Neugier geweckt! Ich will wissen, ob du deine glitzernden Würden verdient hast! Ich will deine wahre Natur auf dem blutigen Sand des Kolosseums ergründen! Ich bin hier, um deine Herausforderung anzunehmen, Alistair Brunswick!"

Es schwebte bereits von dem Moment an über diesem Ring, als Raphaellus Krueger sich als GFCW Heavyweight Champion zu erkennen gegeben hat. Nun sind die Worte ausgesprochen. Jeder hat sie gehört. Einige jubeln, einige tuscheln, einige buhen gar, da sie sich nicht damit abfinden wollen, dass ein Ligenfremder einfach in die PCWA einfallen und ein Titelmatch gegen ihren Undisputed Gerasy Champion fordern kann. Es hängt nun von Alistair Brunswick ab, ob dieses Match zu Stande kommen wird, ob jemand, der weder seinen eigenen Titel, noch den Undisputed Gerasy Title verdient hat, um die höchste Krone im Wrestling-Business antreten darf oder nicht. Der konzentrierte Blick Alistairs verrät, dass er mit dieser schwerwiegenden Entscheidung seiner noch jungen Regentschaft hadert.

Alistair: "Gerne hätte ich hart arbeitenden Männern wie Robert Breads, Grizz Lee oder Kevin Sharpe die Möglichkeit eingeräumt, heute ein Titelmatch zu bestreiten. Gerne hätte ich gesehen, wie jemand aus meiner Heimat diese Herausforderung annimmt. Du bist eine verachtenwerte Person, Raphaellus Krueger, und du hast es auf keinen Fall verdient, um diesen Titel anzutreten. Aber ich werde dieses Match trotzdem gegen dich bestreiten, denn bei einer Sache gebe ich dir Recht: Um meine Zweifler ein für alle mal ruhigzustellen, muss ich mich jedem Gegner stellen, egal um wen es sich dabei handelt."

Einmal mehr bekunden die PCWA-Anhänger auf den Zuschauerplätzen ihre Freude. Ein Match zwischen ihrem Undisputed Gerasy Champion und dem amtierenden GFCW Heavyweight Champion? Das ist fast schon eine Garantie für einen spannenden Main Event. Doch der Superstar scheint noch nicht ausgeredet zu haben. Mit einer beruhigenden Geste fordert er die Fans auf, noch einen Augenblick Ruhe zu bewahren.

Alistair: "Aber nur unter einer Bedingung: BEIDE Titel, die Undisputed Gerasy Championship UND die GFCW Heavyweight Championship stehen dabei auf dem Spiel! Denn wenn ich etwas riskiere, dann soll es für mich auch etwas zu gewinnen geben. Rien ne va plus, Krueger! Was sagst du dazu?"

Er macht einen weiteren Schritt auf das Scheusal zu und auch Letzterer nähert sich seinem Gegenüber. Auge in Auge stehen sie sich gegenüber und starren aneinander an. Courage spiegelt sich in dem einen Augenpaar wider, indifferente Leere in dem anderen. Ein retardierendes Moment vergeht. Erst dann hebt das Scheusal das Mikrofon erneut an seine Lippen.

Raphaellus Krueger: "So soll es sein."

Alle Dämme brechen daraufhin und lassen Wellen der Euphorie durch das PCWA Theatre tosen. Was für eine Blockbuster-Ankündigung! Ein Champion vs. Champion-Match bei dem die höchsten Titel beider Promotions auf dem Spiel stehen werden! Wie zu Beginn, als er den Ring betrat, wird Vasts "Here" eingespielt und zu den rockigen Klängen und dem begeisterten Jauchzen der PCWA-Fans, nimmt Alistair Brunswick seinen Titel von der Schulter und hebt ihn für alle sichtbar über seinen Kopf. Das Scheusal tut es ihm gleich. So stehen sie noch einige Sekunde da und beäugen sich von Nahem. Dann gibt die Regie wieder zu den Kommentatoren zurück.

 

Vincent Craven: "OH MY GOD! Raphaellus Krueger ist in der PCWA! Der GFCW World Champion fordert Alistair Brunswick zu einem Match heraus!"

Mike Garland: "Wir haben Title vs. Title zwischen den Champions der beiden wohl angesehensten Ligen in Deutschland. Bei dieser Vendetta wird Geschichte geschrieben."

Vincent Craven: "Unvorstellbar, wenn der Undisputed Gerasy Title in die GFCW wechseln würde. Oder deren World Title zu uns in die PCWA. Das nenne ich einmal vorgelebtes Crossover."

Mike Garland: "Wer auch immer dieses Match gewinnt, er wird sich fortan mit Fug und Recht Champion nennen können. Eine unglaubliche Entwicklung hier, die mich gerade echt von den Socken haut."

Vincent Craven: "Eine Sache gibt mir allerdings ein wenig zu denken: Azrael Rage war in der GFCW, hat Krueger dort aufgesucht? Was für ein Interesse hat er an diesem Kampf?"

Mike Garland: "Azrael hat einen Plan in der Hinterhand, dessen bin ich mir sicher. Aber was für ein Plan das ist, da bin ich noch absolut ratlos. Wir werden auf jeden Fall einen höchst spannenden Main Event sehen."

Vincent Craven: "Aber wehe, jemand scrollt vor."

Mike Garland: "Scrollen? Wir sind live und im Fernsehen!"

Vincent Craven: "Ach ja, vergesse ich immer wieder."



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