Scene

Id
2303  
Name
The anguished Man  
Summary
 
Position
33  
Scenetype
Off Camera  
Created At
2015-05-28 12:05:57  
Edited At
2015-06-21 17:31:28  
Show
Vendetta 110  


"Wann?"

Jona Vark lässt ihren Blick schweifen. Auch wenn sie schon dutzende Male in diesem Raum gewesen ist, so entdeckt sie jedes Mal etwas Neues. Dieses Mal ist ein kleiner Nachdruck eines schaurigen Gemäldes in einem dunklen Holzrahmen an der Wand. Ein Bildnis eines vor Qual verzerrten Gesichtes. Gepeinigt. Schreiend. Als wäre ihm die Haut vom Fleisch gerissen worden. Und abgesehen von der satten Farbigkeit ist die Unähnlichkeit mit ihrem Gesprächspartner nicht von der Hand zu weisen.

Doch es waren die ersten Worte, mit denen sie heute begrüßt wurde, die ihr klarmachten, dass heute der nächste Schritt gegangen werden muss. Dass bereits zuviel Zeit vergangen war.

"Es ist fast genau ein Jahr her, Miss Vark. Vor fast genau einem Jahr hat sich die lebende Tote unter das Volk gemischt."

Leise schlängeln sich die Worte von Clawrik Uriel Amon in den Gehörgang von Jona Vark. Die sitzt auf einem recht unbequemen Stuhl aus hellem Holz mit einer viel zu dünnen, durchgesessenen Polsterung am Gesäß. Die Beine übereinander geschlagen, die Stirn in Falten gelegt, starrt sie das fahle Gesicht ihres Gegenüber einfach nur an.

"Eine Zeitlang fragten sich die Leute, wo sie denn nun wieder verschwunden ist. So schnell auferstanden, aufgestiegen in den Himmel? Mitnichten, denn schließlich ist ihr Körper immer noch so nahe. Nur wurde das Ziel auf andere Weise erreicht. Halte dir deine Freunde nahe, doch deine Feinde noch näher. Ich danke ihnen, Miss Vark. Doch die Zeit, die so schnell rennt, läuft davon."

Eine Sprechpause, die Jona Vark mit einem lauten Schluckgeräusch überbrückt. Sie blinzelt ein paar Mal, wartet bis der Totgelaubte seinen Monolog fortführt.

"Diese Menschen vergessen so schnell. Eine schnelllebige Gesellschaft hat man sich herangezüchtet. Eine Katastrophe beschäftigt die Menschen für eine Woche, dann braucht man neue Nachrichten. Ein Held kann nur ein paar Monate überdauern, dann wird nach einem neuen Helden geschrien. Nur die Gefahr, Miss Vark, die liegt immer in der Luft. Im Prinzip ist sie die ganze Zeit da. Das Feuer lodert permanent. Die Frage ist doch nicht, ob ich das Benzin bin, welches die Flammen zum lodern bringt."

Eine bedrohliche Stimmung in dieser Situation, in der sich Jona Vark hier im Raum der tausend Augen befindet. Noch wagt sie es nicht, Clawrik Uriel Amon zu unterbrechen, der sich offensichtlich in Rage redet. Hinter ihm die Wand aus einem riesigen Schreibtisch, dazu passende Regale mit mehreren Stufen und Ebenen und unzähligen Bildschirmen und Monitoren. Viele eingeschaltet, zeigen verschiedene Räume des PCWA Theaters. 

"Die Frage ist viel eher... wann?"

Noch einmal stellt er die Frage.

"Wann?"

Die Blicke verharren aufeinander. Jona Vark verzieht ihr Gesicht und versucht darüber nachzudenken, worauf Clawrik Uriel Amon da überhaupt hinaus will. Clawrik Uriel Amon versucht hingegen zu lächeln, nur leicht. Fällt ihm allerdings fast genauso schwer, wie es einem Neugeborenen schwerfällt, sich die Schnürsenkel selbst zu binden. 

Für einen Augenblick legt die Gestalt ihre Augenlider über die eingefallenen Höhlen, in denen die viel zu frisch aussehenden Augen ihr Nest gebaut haben. Er hebt beide Hände wie ein Digirent und lässt die Finger tanzen, als würden daran Fänden hängen und am Ende dieser Fäden Marionetten zappeln. Im Takt einer Melodie, die nur in seinem Kopf gespielt wird. Jona Vark versteht nicht, ob dies eine Einladung für sie ist, das Gespräch an sich zu reißen, doch die eigentlich wortgewandte und nie wortkarge Geschäftsführerin der PCWA verharrt in der Ruhe.

"Ich stelle die Frage anders."

Mit den Beinen bringt sich Clawrik Uriel Amon auf seinem Schreibtischstuhl in eine drehende Position, einhundertachtzig Grad, wendet Jona Vark seinen Rücken zu und starrt auf seine Augen.

"Klick. Klick. Klick. Klick. Vier Schlösser und die Welt steht mir offen. Ist mein. Und doch bin ich nur der Beobachter im Hintergrund, still und leise. Vergessen. Warum, Miss Vark? Vielleicht, weil ich nicht eingreifen kann. Vielleicht aber auch, weil sich die Notwendigkeit noch nicht ergeben hat. Die Wolken sind aufgezogen und die Krankheit breitet sich aus. Diese vier Schlösser sind Symbole, Miss Vark. Vier Schlösser für vier Namen, die dies hier erst ermöglicht haben. Sie kennen drei davon. Drei Namen. Drei Schlösser, die bereits geöffnet sind und sie wissen ganz genau, dass das vierte Schloss ihren Namen trägt. Sie müssen den Schlüssel nur noch herumdrehen."

O'Wellhubly. Medouni. Doch der dritte Name... vielleicht Amon selbst? Vielleicht Runa Lillith Heritage? Es rattert im Kopf von Jona Vark, die offensichtlich dazu auserkoren wurde, der vierte Name zu sein. Das Schloss öffnen? Doch wofür? Was passiert dann?

"Ich sehe ihren fragenden Blick. Hier, auf diesem Bildschirm."

Tatsächlich muss Clawrik Uriel Amon sich nicht Jona Vark zuwenden, um sie zu sehen. Genug Kameras sind auch im Raum der tausend Augen installiert und überwachsen ihn.

"Doch die Entscheidung ist schon längst gefallen. Sie werden es tun. Sie wissen nur noch nicht wann. Doch das kann ich ihnen sagen, Miss Vark. Sie werden den Schlüssel herumdrehen, sobald sie erkennen, welche Gefahr sie sich selbst herangezüchtet haben. Nach der Offenbarung, nach der Vergeltung, nach der Erlösung werden sie erkennen, dass die helfende Hand nicht voller Blut und Fleisch ist, sondern knochig, alt und schlaff. Und dennoch werden sie nach ihr greifen. Vanitas."

Die Geschäftsführerin lässt den Kopf sinken, vielleicht als Zeichen des Nachgebens. Wieder ringt sich Clawrik Uriel Amon ein Lächeln ab, während er noch immer mit dem Rücken zu Jona Vark sitzt. Das vierte Schloss oder die vierte Schachfigur. Er hat sie auf jeden Fall in seiner Hand. Und mit ihr auch die erste Schachfigur. Den Ursprung.



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