Es regnet. Mit der Unzufriedenheit mit der man etwas hinnehmen muss, was genauso unangenehm, was außerhalb des eigenen Einflusses ist, zieht sich ein junger Mann die Kapuze vom Kopf. Er war nur kurz zum Supermarkt gegangen, um die leere Wasserkiste gegen eine volle auszutauschen. Auf dem Rückweg hat er den Briefkasten geleert. Den Wasserkasten hat er in der Küche zu seiner Linken abgestellt. Im Flur zieht er jetzt seine Jacke aus, die ihm selbst bei diesem Wetter zu warm war. Kurz geht er zurück in die Küche, um die Post nach irgendetwas Dringendem zu kontrollieren.

Marcus Vark Junior hat in seinem ganzen Leben noch keine Mahnung erhalten. Er hatte zwar nie vor dem Weg seines Vaters zu folgen, aber die Ordnung von Dokumenten muss er durch die pure Gegenwart des Familienoberhaupts aufgenommen haben. Also blättert er durch die Briefumschläge.

Werbung, Rechnung, Rechnung, Werbung, Prospekt, kleiner, weißer, viereckiger Godkiller des Schicksals.

Ein Brief mit PCWA-Logo! Keine Briefmarke. Jemand muss diesen Brief persönlich bei ihm eingeworfen haben. Sein Aufhebungsvertrag kann es nicht sein. Den hat er längst unterzeichnet und zu Jonas Händen geschickt. Und seitdem hat er auch keinen Versuch mehr unternommen sie zu überzeugen. Genau genommen hat er sie seit dem Rumble nicht einmal mehr besucht. Zu frisch waren die Wunden. Nicht bei ihr, sondern bei ihm. Sofort legt er die restlichen Briefe auf die Kommode unter dem Spiegel zu seiner rechten. Hastig öffnet er den Briefumschlag mit dem PCWA-Logo und nimmt den Brief heraus. Der Umschlag endet auf der Kommode neben den Briefen.

Marcus Vark Junior: „Was zum…?!“

Noch während er mit seinen nassen Schuhen zum Wohnzimmer geht, beginnt er den Brief zu lesen. Als er am Ende angekommen ist, hat er eine ganze Reihe von feuchten Schuhabdrücken auf dem Laminat hinterlassen und sitzt auf seinem Sofa. Ungläubig liest er den kompletten Brief ein weiteres Mal.

Dann gleitet sei Blick zum Horizont. Das ist in seiner Wohnung nicht weiter als die nächste Zimmerwand, aber er könnte genauso gut auf den Ozean hinausschauen. Sein Hirn ist viel zu sehr mit dem Verarbeiten der neuen Informationen beschäftigt, um irgendetwas wahrzunehmen.

Beim Brawlin‘ Rumble ist eine Menge geschehen. Robert Barker ist kein Champion mehr. Jona hat Lucifer mit einer Art Vollmacht ausgestattet. Rafa hat zusammen mit Jacob die Cotatores Titel gewonnen...Die Religion ist jetzt Cotatores Champion, so wie Rafa und er es immer sein wollten, seit sie zum ersten Mal gemeinsam angetreten sind. Und nun ist die Religion tatsächlich Champion, obwohl er Rafa im Stich gelassen hat. Natürlich freut er sich für ihn, aber es ist nicht das Gleiche, als wenn sie es zusammen geschafft hätten. Und das alles nur weil er Angst hatte, wie die restliche Religion darauf reagieren würde, was er zu Beginn der Show verkünden musste. Hätte er geahnt, dass sie ihn trotzdem willkommen heißen würden, hätte er zusammen mit Rafa… Egal. Denn beim Brawlin‘ Rumble ist die Geschichte von Benedict White beendet worden. Letzte Show. Alles wird gut. Ende. Aus.

Oder?

Marcus Vark Junior starrt auf den Brief in seinen Händen. Es ist ein Schlupfloch. Eine Möglichkeit alles auf Anfang zu setzen. Es ist ein Vertragsangebot. Nicht von Jona Vark und nicht für die PCWA. Stattdessen kommt es von Jonas Prokuristen. Irgendwie muss Hannibal den Mann, der die PCWA im Moment anführt, überzeugt haben ihm einen Vertrag für die Religion anzufertigen. Marcus – oder genauer gesagt – Benedict White würde nicht bei der PCWA Vertrag stehen, sondern einen Vertrag bei der Religion bekommen und von ihnen in der PCWA eingesetzt werden. Er hätte im Grunde genau das, was er wollte. Die Erlaubnis in der PCWA anzutreten, ohne das Jona dafür belangt werden könnte. Jona würde sich nicht erpressen lassen müssen. Wer ihn bedroht, würde es mit der Religion zu tun bekommen. Er würde sich verteidigen können. Und… und vielleicht… vielleicht würde er die Religion davon überzeugen können, dass man Jona auch verteidigen sollte, falls sie jemand bedroht. Selbst ein Arschloch wie Rage hat verstanden, dass die Familie etwas Besonderes ist. Jemand wie Hannibal würde es doch dann noch viel eher verstehen…

Aber würde er Jona damit nicht hintergehen? Sie hat ihm gekündigt. Sie hat ihm befohlen, dass der Rumble seine letzte Show sein würde und er hat versprochen sich daran zu halten.

Der Bruder der PCWA-Cheffin muss schlucken.

War das Ende also doch kein Ende?