Wie so oft sitzt er einfach nur da, hat nichts anderes zu tun, als abwechselnd die Wand und das Maria-Tattoo auf seinem Unterarm zu betrachten und sich zu fragen, ob er das Richtige getan hat. Vielleicht wenigstens dieses eine Mal?

In der Hand hält er das zerknüllte Refereeshirt, das ihm Jona Vark in einer ruhigen Minute zukommen ließ. Das Shirt, das stellvertretend für die einzige Weise steht, auf die sie ihn im Mainevent sehen will. Seine Gedanken schweifen ab, wandern hin zu Breads und dem Unverständnis in dessen Augen, als er ihm das Abendmahl bereitete und ihm den Judaskuss auf die Wange drückte. Hin zu dem Unverständnis in den Augen Dalmis, als er sich weigerte, das zu Ende zu bringen, was er angefangen hatte und dem er eigentlich beiwohnen sollte. Er hat es wieder einmal geschafft, mit nur einer Aktion alle zu verärgern. So wie damals, bei seinen Eltern.

Wütend springt er von dem Transportcontainer herunter, auf dem er noch gerade gesessen hat, stapft empört mit dem Fuß auf. Das alles darf nicht so laufen, wie es läuft, schließlich ist er die Lüge, schließlich ist er…

„ARROW!“

Diese aufgebrachte Intonation... Sie ist ihm bekannt, er hat sie schon einmal gehört, als der serbische Junkie ihn aufgesuchte. Und so antizipiert er auch das, was kommt, als er seinen Kopf zurücklegt und an seiner falschen Nase einen großen, schwarzen Gegenstand vorbeizischen sieht, der auf dem Boden zerschellt - eine Fernsehkamera!

So schnell kann es gehen! Wie wechselhaft und unberechenbar Kriss Dalmis Gefühlsschwankungen sind, hatte er bei der Kreuzigung Robert Breads unter Beweis gestellt. Nun scheint es wieder soweit zu sein, als er die Ursache des Problems ausmacht. Der nächste gelegene Tisch und all die darauf befindlichen Utensilien wie Kaffeebecher und -kannen oder Gebäckteller werden umgerissen. Mit den geballten Fäusten hämmert er vor ungehemmter Raserei auf seinen eigenen Schädel ein, als wolle er sich selbst ausknocken.

Kriss Dalmi: "DU! DU HAST DEIN VERSPRECHEN NICHT GEHALTEN!!!! DU-HAST-ES-NICHT-GEHALTEN!!!!!!! AAAAAAHHHHHHH!!!!!!!!!!"

Völlig von Sinnen stampft er auf seinen vermeintlichen Verbündeten zu, schlägt ihm das Refshirt aus der Hand und schubst ihn gewaltsam weg. Die Lüge lässt das mit sich geschehen und betrachtet die Zerstörungsorgie des Serben im Backstagebereich, der wie im Rausch auf den umgeschmießenen Tisch und die Gegenstände, die sich auf den Boden ergossen haben, eintritt und sich erneut in auto-aggressives Verhalten verliert. Ein seltsames Betragen, das er hier an den Tag liegt, muss die Lüge feststellen. Auf der Bühne wirkte er doch noch so glücklich...

Kriss Dalmi: "BLEIB EINFACH HIER!!!! BLEIB IM BACKSTAGE UND MACH, WAS DU WILLST!!!!! VERARSCHE WEITER LEUTE WIE MAD DOG ODER BLAKE MILTON ODER WEN AUCH IMMER!!!!! ABER HALT DICH AUS MEINEM MAIN EVENT RAUS, DU KLEINER HURENSOHN!!!!!"

Mit beinahe stoischer Ruhe beugt sich Arrow herunter und hebt das Refereeshirt wieder auf. Nun ist es nicht mehr nur zerknüllt, sondern auch noch verschmutzt. Wie viel deutlicher kann eigentlich noch gemacht werden, dass die Lüge keinerlei Interesse daran hat, diesen Part im Schlussakt der 96. Vendetta zu spielen? Er wickelt das Shirt um sein Handgelenk, verknotet es sicherheitshalber und blickt dann Dalmi an. Legt den Kopf schräg.

Arrow: „Es spielt leider keine Rolle, ob du möchtest, dass ich im Mainevent dabei bin oder nicht, Dalmi. Ganz ehrlich, nicht einmal ich möchte das - doch unsere blonde Diktatorin hat anders entschieden.“

Die Lüge macht zwei Schritte zurück, stößt gegen den Transportcontainer und zieht sich wieder dort herauf. Mit baumelnden Beinen beobachtet er Dalmi von seinem mobilen Thron aus.

Arrow: „Was Breads angeht – ich habe alles getan, was nötig war. Ich habe die Lippen für Breads geschürzt, Serbe, ich habe euch sogar Waffen da gelassen, da muss ich mir nicht auch noch die Hände dreckig machen.“

Wetz, wetz, wetz! Die Zähne schleifen aufeinander, drohen unter der Spannung, die sie aufeinander auswirken zu zerschellen wie Porzellan. Er klingt wie Eleven vor ein paar Tagen, der ihn nicht für würdig befand, der seine Werke als unfokussierten, ziellosen Schwachsinn hinstellen wollte. Der missbilligende Gestus, der Fakt, dass er einfach nur da sitzt, über ihm thront, als er wäre er sein verdammter Marionettenspieler, für den sich dieser Bastard sicherlich hält. Ja, all das erinnert ihn an Eleven.

Kriss Dalmi: "Komm da runter, KOMM DA VERDAMMT NOCH MAL RUNTER!!! DU BIST NICHT BESSER ALS ICH!!!!"

Er packt eines der unbekümmert umherbaumelnden Beine und zieht daran. Er zieht ihn zu sich herunter, sodass er sich genötigt sieht, von seinem Thron hinabzusteigen und ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Bis... Mit einer harschen Geste schlägt Arrow die Hand von seinem Kragen und macht einen weiteren Schritt auf Dalmi zu. Nur Zentimeter trennen die beiden voneinander. Totenstille. Einzig das schwere, heisere Atmen der Kontrahenten ist zu vernehmen. Die Lüge legt den Kopf abermals schief.

Arrow: „Wenn du noch ein einziges Mal nach meinem Hals greifst, Dalmi, reiß ich dir deine beschissene Hand ab. Dann ist der Finger, der dich in deinen Träumen verfolgt hat, noch das geringste Übel, das kannst du mir glauben.“

Arrow senkt seine Stimme noch weiter herab, sie ist nur mehr ein bedrohliches Zischen.

Arrow: „Ich habe etwas in dir gesehen, Kriss Dalmi, ich habe gesehen, wie deine Welt aussieht. Blutende Blätter, die von faulen Ästen herabsegeln, offene Münder, die mit letzter Kraft um ihre Erlösung flehen, die Braut auf dem Weg zum Altar, gekleidet in ein Kleid aus gesprungenem Glas und ein Strumpfband aus rostigem Stacheldraht. Ich habe gesehen, wie unendlich schön deine Welt ist,…“

Die Lüge legt ihre Stirn an die Stirn Dalmis.

Arrow: „…doch so sehr ich mir auch gewünscht habe, du würdest mich an die Hand nehmen und mich durch diese Welt führen, so sehr ist mir nun bewusst, dass das niemals passieren wird. Du selbst kannst in deiner eigenen Welt nicht bestehen, du bist verdammt dazu, zu fallen und niemand wird nach dir greifen, wenn du vor Angst schreiend nach Halt suchst. Du bist nur ein weiterer Niemand in einer verdorbenen Welt, der versucht, sich in die Romantik der Gewalt zu flüchten, die er selbst nur allzu sehr fürchtet, um das Unvorstellbare greifbar zu machen.“

Seine Stimme war zum Schluss nicht mehr zu verstehen, da die Kamera- und Toncrew in diesem Moment jemand anderen eingefangen hat, der sich mit stapfenden Schritten näherte. Der Kameraschwenk offenbart uns die Identität des Neuankömmlings.

Alistair Brunswick trägt bereits seine Ringkleidung. Verwaschene Blue Jeans, knöchelhohe Boots und das obligatorische weit aufgeknöpfte Seidenhemd mit den Rüschenverzierungen. Er hat den Wortlaut des Gespräches zwischen Arrow und Dalmi nicht mitbekommen, aber die offenbar innige Nähe zwischen den beiden ist ihm sofort aufgefallen. Ein verächtliches Schnauben begleitet seine Worte.

Alistair: "Ach, wen haben wir denn da? Ich wusste gar nicht, dass ihr beide beste Freunde seid. Das erklärt aber auch, warum du..."

Er deutet mit dem Finger auf Jeffrey Ron Arrow.

Alistair: "... den Refereeposten bekommen hast. Dein Widerwille vorhin war nichts als ein schlechtes Schauspiel, du bist durchschaut. Ein cleverer kleiner Plan, den ihr euch da ausgedacht habt. Pinky und Brain hocken in ihrem Käfig namens PCWA Theater und planen, wie sie die Welt erobern können, indem sie dem dummen College Boy hintergehen können."

Er blickt beide an und deutet dann mit einer jovialen Geste auf sich selbst.

Alistair: "Oh, boys. Macht es doch beim nächsten Mal etwas weniger offensichtlich. Sogar ein Dreijähriger könnte eure Pläne durchschauen."

Auf einmal wird sein Blick deutlich ernster und er wendet sich zu Kriss Dalmi, mustert ihn kurz. Ein leichter Schauer läuft ihm dabei über den Rücken. Zu gegenwärtig sind noch die schrecklichen Szenen von vorhin, die er erst im Nachhinein auf einem kleinen Monitor mitbekommen hat. Robert Breads, die Kreuzigung. Alistair wird fast übel. Er verwischt den Gedanken und versucht einen möglichst gleichgültigen Eindruck zu machen.

Alistair: "Du meinst, du könntest dir hier alles erlauben? Du meinst, dass hier alles wäre nur ein verdammtes Spiel und Gewalt ein Mittel der Wahl? Du willst dich mit der Gesellschaft anlegen, du willst die Grenzen des zivilisierten Handelns sprengen? Fine. Nur musst du damit rechnen, dass eben diese Gesellschaft zurückschlagen, sich nicht alles bieten lassen wird. Und verdammt, wenn dich niemand aufhalten will, dann werde ich eben diese Rolle einnehmen. Du hast dich mit dem falschen Gegner angelegt, ich werde vor deinen Spielchen auf der Hut sein. Mich legst du nicht hinein... nicht noch einmal. Kriss Dalmi, ich hasse dich für das, was du bist und dafür wirst du heute Abend bezahlen müssen. Das hier ist die PCWA und hier kommt man nicht ungestraft mit so etwas davon."

Bellendes, hämisches Auflachen vom Junkie. Er müsste sich eigentlich über die pure Ignoranz dieses Banausen echauffieren, andererseits sollte er inzwischen wissen, dass seine künstlerischen Großtaten keinen großen Anklang finden. Das Dilemma des missverstandenen Künstler, das ihn seit den letzten Monaten kontinuierlich plagt.

Kriss Dalmi: "Wieso war es mir klar, dass jemand wie du, sich vor allem um sein gekränktes Ego schert?! Du und deine Kumpanen habt als Aufpasser kläglich versagt, eure dämlichen Fressen waren wirklich Gold wert. Aber wer redet denn noch über Mad Dog? Er gehört der Vergangenheit an, das habe ich mit Rage besiegelt, und daran wird sich auch beim CORE nichts ändern. Das Heute ist doch so viel wichtiger! Das was wir geschaffen haben, als wir das Brot kopfüber an das Petruskreuz nagelten und ihn dort wie ein Schwein ausbluten ließen! Hast du auch nur die geringste Ahnung, welches Monument der Korrumpierung ich mit deinem Stiefvater erbaut habe? Hast du ihre angsterfüllten Gesichter gesehen? Sogar Craven und Garland wussten nicht, was sie dazu sagen sollten! Aber so wie ich dich einschätze, hast du wahrscheinlich überhaupt nichts gesehen, weil du mal wieder damit beschäftigt warst, deine Faust dorthin verschwinden zu lassen, wo es nach Fisch riecht. Weil du ein Ignorant bist. So wie er..."

Fingerdeut zur Lüge.

Kriss Dalmi: "...oder wie all die anderen da hinten, die zu ignorant sind, um mein Schaffen zu greifen! Heute Abend, nach dem, was ich getan habe, geht es doch nicht um Sieg oder Niederlage! Nicht für dich, nicht für mich! Egal, ob du für drei Sekunden meine Schultern auf die Matte drücken kannst oder mich zur Aufgabe zwingst oder jetzt gleich mit deinen Clubfreunden Stevie Van Crane und Robert Barker Vergeltung übst. Alles, was ihr versucht ist vollkommen bedeutungslos! Ich habe doch schon längst gewonnen! Nur das Bild eines umgedreht von der Decke hängenden Robert Breads wird sich in ihre Gedächtnisse brennen, das Ergebnis unseres Matches, hingegen, wird in irgendeiner Statistik auftauchen und dort in einem Meer irgendwelcher anderer uninteressanter Zahlen verschwinden. Das sind die unverrückbaren Fakten, Player!"

Forsche, provokante Worte, die der Serbe dem Superstar hier an den Kopf wirft. In Alistair brodelt es, am liebsten würde er diesem Kriss Dalmi hier und jetzt an die Kehle springen. Doch Alistair weiß es inzwischen besser. Er schüttelt den Kopf und wirft seinem Gegner nur einen bitterbösen Blick zu. Kriss Dalmis Worten konnte man ohnehin nicht trauen. Er wendet sich demonstrativ von Kriss ab und Jeffrey zu.

Alistair: "Ich werde dich nicht daran hindern können, dieses Match zu leiten. Aber ich warne dich: Lege dich nicht mit mir an, dann haben wir auch keine Probleme miteinander. Meine Rache gilt ihm und nicht dir."

Müde erhebt die Lüge ihre Hände. Macht einige Schritte zurück und lehnt sich an den Container, auf dem sie noch vor wenigen Augenblicken gesessen hat.

Arrow: „Alistair Brunswick, der Playboy, der Superstar, das Pretty Face unserer kleinen, kaputten Welt. Der König der Chaoten oder vielleicht doch eher Prince Rage? Es freut mich, dass wir uns endlich einmal kennen lernen. Obwohl es natürlich schade ist, dass ich direkt für ein Verbrechen angeklagt werde, das ich nicht einmal zu begehen bereit bin.“

Nachdenklich hebt die Lüge ihr rechtes Handgelenk, mustert das verknotete Refereeshirt und führt die Hand dann in Richtung Alistair. Mit einem leichten Nicken unterstreicht er seine folgenden Ausführungen.

Arrow: „Ehrlich? Ich war noch nie der Mensch, dem Fairness besonders viel bedeutet hat. Wie es in den Wald hineinschallt…und so. Die Welt ist nie fair zu mir gewesen, Alistair, und so bin auch ich nicht fair zur Welt. Aber wie ich eben schon Kriss Dalmi versucht habe, klar zu machen – ich habe nicht um diesen beschissenen Spot als Referee gebeten. Ich weiß ja noch nicht einmal, vor welchem Hintergrund ich in dieses Match gesteckt wurde. Ich habe Dalmi einen Gefallen versprochen und den habe ich eingelöst, auch wenn er das nicht verstehen will. Dich habe ich gerade erst kennen gelernt, leider unter für dich missverständlichen Vorzeichen – wenn also irgendjemand dieses Szenario erklären kann, dann ist es Jona Vark und nicht Jeffrey Ron Arrow.“

Missgestimmte Blicke seitens Dalmi und Brunswick treffen die Lüge.

Arrow: „Von mir aus können wir gerne die Positionen tauschen. Ich bin in die PCWA gekommen, weil ich kämpfen will, nicht weil ich gerne Judikative spielen möchte. Ich bin hierher gekommen, damit mein Name an eine verfickte Leuchttafel geschrieben wird, die vor dem Eingang zur Halle hängt. Ich bin hierher gekommen, um die Hauptattraktion in diesem Zirkus zu sein und nicht nur der Clown, der mit Wasser aus seiner Plastikblume auf kreischende Kinder schießt. Also? Wer will das Match leiten?“

Erwartungsvoller Blick der Lüge, doch niemand nimmt ihm die Bürde ab, die er um sein Handgelenk gewickelt hat.

Arrow: „Das dachte ich mir. Als dann, Gentlemen…ich garantiere dafür, dass ein Kampf, der von soviel Abneigung und Hass getragen wird, das Ende bekommen wird, das er verdient. Kriss Dalmi…Alistair Brunswick…einer dieser Namen wird heute Nacht seine Geschichte erfolgreich weiter schreiben und der Name Jeffrey Ron Arrow wird darin nur als Fußnote auftauchen.“

Noch ehe Dalmi oder Brunswick reagieren können, wirbelt Arrow auf dem Absatz herum und tänzelt sogleich von dannen.
Zurück bleiben nur die beiden Männer, die sich gleich im Main Event gegenüber stehen werde.

Wenige Zentimeter trennen ihre beiden Gesichter.
Alistairs Stimme ist nur ein Flüstern."

Alistair: "Wir sehen uns gleich im Ring."

Verächtlich dreht er sich weg. Es sind genug Worte gesprochen worden. Nun zählen Taten. Doch geht es nach Dalmi, zählen selbst die nicht mehr. Geht es nach Dalmi, sind die Würfel schon längst gefallen...

 

Mike Garland: "Alistair Brunswick, Kriss Dalmi und Jeffrey Ron Arrow. Gerade noch backstage und gleich schon in unserem Main Event."

Vincent Craven: "Je näher dieses Match rückt, desto schlechter wird das Gefühl, das ich dabei habe. Etwas wird passieren, irgendetwas wird dabei passieren."

Mike Garland: "Nun male mal nicht gleich den Rage an die Wand. Obwohl... die Chance ist wohl recht groß, dass wir den auch noch zu sehen bekommen."

Vincent Craven: "Alistair kann froh sein, dass Mad Dog am Ring sein wird. Er wird jede Hilfe brauchen können."

Mike Garland: "Nicht zu vergessen seine Freunde Stevie Van Crane und Robert Barker. Wenn die auch noch mitmischen, dann geht es nachher hoch her."

Vincent Craven: "Aber vielleicht werden wir ja nachher alle überrascht und wir bekommen ein faires Match zu sehen. Mit Shakehands und Schulterklopfen am Ende."

Mike Garland: "Mwahaha. Nein."

Vincent Craven: "Das stimmt wohl leider."